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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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ganzen Vormittag herumdiskutierten.
    Also, falls du die Idee mit dem Felsen immer noch gut findest , sagte der andere.
    Die uns immer noch ziemlich schickimickimäßig vorkommt.
    Als wäre der eine Typ Dad und der andere Kip Flemish.
    Blöde Betrüger. Sie hatten die Ehefrauen getauscht, sie dann verlassen und waren zusammen nach Kalifornien gegangen. Waren sie schwul gewesen? Oder bloß Swinger? Schwule Swinger? Der Dad und der Kip in seinem Kopf hatten ihre Sünden gebeichtet, und alle drei hatten sich auf etwas geeinigt: Er würde ihnen verzeihen, dass sie möglicherweise schwule Swinger waren und ihn bei dem Seifenkisten-Derby alleingelassen hatten mit Mom, und sie würden ihm dafür brauchbare männliche Ratschläge geben.
    Er hätte gern, dass es nett aussieht.
    Das war jetzt Dad. Anscheinend war Dad eher auf seiner Seite.
    Nett?, sagte Kip . Das Wort würde mir dazu nicht einfallen.
    Ein Kardinal zischte durch den Tag.
    Es war erstaunlich. Echt erstaunlich. Er war jung. Er war dreiundfünfzig. Jetzt würde er seine große landesweite Rede zum Thema Mitgefühl nie mehr halten. Und den Mississippi im Kanu runterfahren, was war damit? Was war mit dem Nurdachhaus an einem schattigen Bach, dem Zuhause für ihn und die zwei Hippiemädchen, die er 1968 in einem Souvenirladen in den Ozarks-Bergen kennengelernt hatte, als sein Stiefvater Allen mit dieser wahnsinnigen Fliegerbrille ihm eine Tüte voll fossiler Steine schenkte? Eins der Hippiemädchen hatte gesagt, er, Eber, würde bestimmt ein echtes Schlitzohr werden, so als Erwachsener, und könnte er sie dann bitte unbedingt anrufen? Dann hatten die beiden Hippiemädchen ihre lohfarbenen Köpfe zusammengesteckt und über seine zu erwartende Schlitzohrigkeit gekichert. Und das hatte nie –
    Das hatte irgendwie nie –
    Schwester Val hatte gesagt, warum nicht danach streben, der nächste JFK zu sein? Also hatte er sich zur Wahl des »Klassenpräsidenten« gestellt. Allen hatte ihm einen Strohhut aus Styropor geschenkt. Sie hatten zusammen das Hutband mit Magic-Marker beschriftet: MIT EBER SIEGEN! Und auf der Rückseite: LÄSSIG! Allen hatte ihm geholfen, ein Band aufzunehmen. Mit einer kleinen Rede. Allen hatte das Band mitgenommen und war mit dreißig Kopien zurückgekommen, die man »rumgeben« konnte.
    »Du hast eine gute Message«, hatte Allen gesagt. »Und du bist unglaublich eloquent. Du kannst das wuppen.«
    Und er hatte es gewuppt. Er hatte gewonnen. Allen hatte eine Siegesparty für ihn geschmissen. Eine Pizzaparty. Alle anderen Kinder waren gekommen.
    Ach, Allen.
    Der freundlichste Mann überhaupt. War mit ihm schwimmen gegangen. War mit ihm zum Serviettenfalten gefahren. Hatte seine Haare so geduldig gekämmt, als er damals mit Läusen nach Hause gekommen war. Nie ein hartes usw. usf.
    Alles anders, nachdem das Leiden angegangen hatte. Angefangen. Verflucht. Seine Worte immer. Schiefer. Seine Worte waren immer weniger das, was er gehofft würde.
    Hätte.
    Nachdem das Leiden angefangen hatte, war Allen zu einem Wüterich geworden. Sagte Dinge, die niemand sagen sollte. Zu Mom, zu Eber, zu dem Mann, der das gefilterte Wasser lieferte. Wurde von einem schüchternen Mann, der einem immer eine beruhigende Hand auf die Schulter legte, zu einer dahingewelkten blassen Gestalt im Bett, die FOTZPACK ! schrie.
    Aber so komisch genuschelt, dass es nach VOLKSPARK ! klang.
    Als Allen zum ersten Mal VOLKSPARK ! geschrien hatte, folgte ein seltsamer Moment, in dem Mom und er sich anschauten, um festzustellen, wer von ihnen beiden gerade VOLKSPARK gerufen worden war. Aber dann verbesserte Allen zur größeren Klarheit: VOLKSENPARK !
    Es war also eindeutig, dass er sie beide meinte. Große Erleichterung.
    Sie waren in Lachen ausgebrochen.
    Meine Güte, wie lange stand er schon hier? Das Tageslicht wand dahin.
    Schwand.
    Ich wusste wirklich nicht mehr ein noch aus. Aber er hat es uns so leicht gemacht.
    Alles auf sich genommen.
    Erzähl mir was Neues.
    Genau.
    Das waren jetzt Jodi und Tommy.
    Hi, Kinder.
    Großer Tag heute.
    Klar wär’s nett gewesen, sich richtig verabschieden zu können.
    Aber zu welchem Preis?
    Genau. Und verstehst du – das wusste er.
    Er war ein Vater. Väter sind so.
    Machen den Menschen, die sie lieben, die Last leichter.
    Bewahren die Menschen, die sie lieben, vor schmerzvollen letzten Bildern, die sie ihr Leben lang ertragen müssen.
    Bald war Allen zu DEM DA geworden. Und keiner hätte irgendwem vorgeworfen, wenn er DAS DA meiden wollte. Manchmal

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