Zeichen im Schnee
die stumm hinter ihm sitzende Frau mit den Silberfuchsfäustlingen, deren rotgrüne Bommel mit der Bewegung des Schneemobils wippten.
Edie beugte sich etwas nach vorn und blickte durch den Spalt zwischen den Vordersitzen. Genau diese Fäustlinge lagen jetzt auf Natalias Schoß und bewegten sich im Rhythmus ihres Atems auf und ab. Edie spürte das Geräusch aus ihrem Mund, ehe sie es hörte.
Die junge Frau lächelte matt. «Ich habe mich schon gefragt, wann Sie es merken würden», sagte sie. «Ich habe Sie beobachtet, ich habe gesehen, wie Sie uns gemustert haben. Ihnen entgeht nicht viel, oder, Edie Kiglatuk?»
Mit einem Mal war alles ganz klar. Edies Blick glitt zu Natalias Bauch hinunter.
«Ja», sagte die junge Frau schlicht. «Der Mann, den Sie auf dem Motorschlitten gesehen haben, der Mann, den die Polizei mitgenommen hat, das ist mein Mann, Peter Galloway, und dies» – sie klopfte auf ihren Bauch – «ist sein Sohn.»
Edie atmete tief ein. Einen kurzen Moment verfluchte sie sich dafür, in das Auto eingestiegen zu sein. Sie kam sich sehr verwundbar vor als einzige Zeugin eines entsetzlichen Verbrechens, für das ein Mann als Kindesmörder lebenslänglich verurteilt werden konnte. Sie war mitten im Wald, allein mit zwei Menschen, die alles verlieren würden, falls er verurteilt wurde. Dann dachte sie an den Geisterbären, und der Moment ging vorüber.
Sie rumpelten auf einer unbefestigten Straße dahin; die Schneeketten griffen in den festgefahrenen Schnee. Schließlich gelangten sie zu einer Lücke zwischen den Bäumen, die durch ein großes, baufälliges, verrostetes Tor geschlossen wurde. Ein junger dünner Mann, bekleidet mit der Altgläubigen-Montur aus Wollmantel und Pelzmütze, ein Gewehr über die Schulter gehängt, öffnete das Tor und winkte sie durch. Der Wagen rumpelte einen tief gefurchten Weg hinauf, der auf beiden Seiten von Hemlocktannen gesäumt war und sich schließlich zu einer Lichtung weitete. Es waren vereinzelte schlichte Blockhäuser zu sehen und eine Schule, vor der altmodisch gekleidete Kinder mit Bällen und Reifen spielten. Neben der Schule erhob sich eine Schindelholzkirche mit einer azurblauen Zwiebelkuppel, auf die unzählige gelbe Sterne gemalt waren.
Am anderen Ende der Lichtung kamen sie an ein Haus, das größer war als die anderen und einen Blick über die gesamte Szenerie bot. Anatol hielt vor der Eingangstür und stellte den Motor ab. Natalia stieg aus und öffnete die hintere Wagentür, wobei sie sich mit der anderen Hand den Bauch hielt. Holzkopf stürmte aus dem Wagen und beschnupperte sogleich den Lehmboden.
«Hunde dürfen nicht ins Haus», sagte Natalia.
Edie folgte ihren Gastgebern hinein. Anatol verschwand im trüben Licht des Flurs; sein dickes Baumwollhemd, das sich unter seiner Jacke hervorbauschte, glich einer Wolke an einem windigen Tag. Natalia ging hinter ihm und winkte Edie, ihnen zu folgen. Sie traten in eine holzvertäfelte Küche mit einem Holztisch, so groß, dass er buchstäblich den Raum ausfüllte, und so vom Alter gezeichnet, dass er eingedellt war, wo Generationen von Tellern gestanden hatten. Schweigend setzten sie sich. Sie waren jetzt allein, Anatol war durch eine niedrige Tür in einen anderen Teil des Hauses verschwunden. Ferne Stimmen drangen zu ihnen, und kurz darauf erschien Anatol mit einer blassen Frau in einem pelzverbrämten Hausmantel. Sie nickte stumm zum Gruß, ging zur Anrichte und machte sich an einem Wasserkessel der edleren Sorte zu schaffen.
Die Frau stellte vier kleine Gläser mit starkem süßem Tee auf den Tisch, deutete dann auf sich und sagte: «Natalia Mutter.»
Natalia und ihr Vater sprachen kurz auf Russisch miteinander, dann sagte die junge Frau zu Edie: «Mein Mann, Peter Galloway, würde Kindern nie etwas zuleide tun. Er ist ein guter Altgläubiger und ein guter Ehemann.»
Anatol trank neben ihr seinen Tee aus und wischte sich mit dem Hemdsärmel den Mund ab. Edie sah, wie er Natalia einen Blick zuwarf und ihr fast unmerklich zunickte.
«Wir reden jetzt», sagte Anatol. «Dann werden Sie uns helfen.»
Es hatte vor zwei Jahren angefangen, erklärte er, als ein Landerschließer namens Tommy Schofield auf die Altgläubigen zukam und ihnen ein Küstengrundstück bei Homer abkaufen wollte. Galloway war zum Verhandlungsführer der Altgläubigen ernannt worden. Schofield wollte aus dem Grundstück einen Erholungsort für Pauschalreisende machen. Die Altgläubigen waren nicht an einem Verkauf interessiert –
Weitere Kostenlose Bücher