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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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Gomez’ Ausweis auf den Schreibtisch.
    «Sergeant Palliser wurde gerade zu einem Fall gerufen, aber hören Sie, wir brauchen den Mietwagen ganz schnell, okay? Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr erzählen, aber es ist eine prekäre Sache. Polizeieinsatz.»
    Arnaldo sah auf die Uhr, überlegte, ob er wegen dieser Sache seinen Chef wecken sollte, beschloss nach einer kurzen Weile aber, es bleiben zu lassen.
    «Führerschein?»
    Sie sah ihn nachsichtig an. «Haben Sie schon mal von Polizeibeamten ohne Führerschein gehört? Das wäre ja wie ein Seehund ohne Flosse. Da würde man nicht weit kommen.»
    Arnaldo wirkte einen Moment verwirrt, dann sah er, dass sie ihn anlächelte, und ging auf den Scherz ein. Er vergaß, dass er den Führerschein gar nicht gesehen hatte, zog den Mietvertrag aus dem Drucker, ließ sie unterschreiben, händigte ihr die Schlüssel aus und zeigte auf einen zerbeulten schmutzigweißen Transporter auf dem Parkplatz.
    Sie stieg ein, brachte Holzkopf auf dem Rücksitz unter, saß eine Zeitlang still da und inspizierte das Armaturenbrett. Sicher, es sah komplizierter aus als bei einem Schneemobil, aber südlich von Iqaluit fuhr jeder Auto, da konnte es doch nicht so schwer sein? Sie drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor startete mit einem lauten Rattern. Ein Blick auf das Schaltschema ließ vermuten, dass Gang «R» einen Versuch wert war. Sie legte ihn ein und setzte zurück. Der Wagen führ rückwärts, ruckelte, zitterte und blieb stehen. Die Wiederholung des Vorgangs war erfolgreicher, auch wenn sie diesmal den Seitenspiegel des Fahrzeugs neben ihr abriss. Sie schaltete in einen anderen Gang, drehte am Lenkrad, rumpelte die Zufahrt entlang und stieg auf die Bremse. Das Auto blieb stehen, aber dabei ging der Motor aus. Sie ließ ihn wieder an, stolz, weil sie so schnell lernte. Als der Wagen quietschend vom Parkplatz fuhr, sah sie aus dem Augenwinkel Arnaldo, der mit offenem Mund aus dem Fenster guckte.
    Edie hatte sich gut vorbereitet. Von Anchorage bis Homer brauchte man sechs Stunden. Damit hatte sie dreihundertsechzig Minuten, um Auto fahren zu üben, und danach würde sie es meistern. Entscheidend war es, wie sie rasch erkannte, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Ein Kinderspiel.
    In der Stadt hatten die Schneepflüge soeben ihre Morgenrunde beendet, die Straßen waren geräumt, die Ampeln in Betrieb, und der Verkehr war spärlich. Jedes Mal, wenn Edie den Wagen abwürgte, startete sie ihn neu und setzte die Fahrt fort. Bald schon hatte sie die letzten Vorstädte hinter sich und fuhr nach Süden, zu ihrer Rechten die breite Cook-Inlet-Bucht, auf der das Eis im schwindenden Mondlicht schimmerte. In Bird machte sie an einem indianischen Imbiss halt und aß Rentierchili zum Frühstück. Der Wagen landete ein bisschen zu tief in einer hohen Schneewehe, aber der nette Indianer, der das Frühstückslokal betrieb, half ihr beim Herausziehen und gab ihr ein paar Ratschläge zum Thema Bremsen. Danach kam sie eine Weile nur langsam voran. Zwar war sie daran gewöhnt, im Halbdunkel zu fahren – in Autisaq ging die Sonne Mitte Oktober unter und nicht vor Mitte Februar wieder auf –, aber der tiefe Schnee und das hohe Fahrzeug gaben ihr das komische, verwirrende Gefühl, über dem Boden zu schweben. Ein paarmal scherte der Wagen zur einen oder anderen Straßenseite aus und prallte von einer hohen Schneewehe ab, doch Edie hatte inzwischen begriffen, dass sie in der Spur bremsen musste statt gegenzusteuern, und da ihr keine Fahrzeuge entgegenkamen, richtete sie keinen Schaden an. Mehrmals musste sie wegen eines Elches auf der Straße anhalten und einmal wegen eines Luchses, der nach nächtlicher Jagd auf dem Heimweg war. Um sieben Uhr stand die Sonne hoch am Himmel, und Edie fuhr durch ein Flusstal, an Bergen entlang, über deren Hänge sich Fichten- und Erlenwälder erstreckten.
    In Cooper Landing hielt sie an, um im Büro der Baufirma Schofield Developments anzurufen. Sie trug einer Assistentin ihr Anliegen vor und bekam für 11 Uhr 30 einen Termin bei Schofield. Sie hatte vor, sich nach seinen Plänen zur Küstenerschließung zu erkundigen, ihn vielleicht sogar nach Galloway zu fragen, aber ohne den Verdacht zu erregen, dass sie sich in irgendeiner Weise für den Tod von Lucas Littlefish oder für Galloways Verhaftung interessierte. In einem Rasthaus füllte sie ihre Flasche mit heißem Tee und ließ Holzkopf hinaus; währenddessen sah sie nach dem Ölstand und den Schneeketten. Einen Moment

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