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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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Mietwagen schwenkte auf die nicht geräumte Straße. Edie konnte im Dunkeln nicht mehr genau erkennen, wo sie dem Bären in den Wald gefolgt war, auch die Stelle nicht, an der sie herausgekommen war, nachdem sie Lucas gefunden hatte. Schließlich kamen sie zum Tor der Altgläubigen-Siedlung, das von einer in einem Baum hängenden Laterne beleuchtet wurde.
    Derek hielt an und stellte den Motor ab.
    «Ich hoffe nur, es geht hier nicht um irgendeinen Bären.»
    «Nein, um den Bären geht es nicht.»
    Er wandte sich ihr zu und sah sie an. Sein Gesicht drückte Entschlossenheit aus. Edie merkte, er war nicht einverstanden mit dem, was sie tat, doch er würde tun, was er konnte, um ihr zu helfen. Mehr konnte sie nicht verlangen.
    Sie stieg aus, sog den Schwall kalte Luft ein und fühlte sich stark. Irgendwo eingeschlossen zu sein, und sei es nur in einem Auto, nahm ihr das Selbstvertrauen, ließ sie sich schwach fühlen. Gerade jetzt musste sie unter freiem Himmel sein.
    Derek stieg ebenfalls aus. Sie hörten Geräusche auf dem Gelände, schwache harmonierende Stimmen. Sie kletterten über das Tor und gingen hintereinander den Weg entlang. Der Gesang wurde lauter. Direkt vor der Lichtung blieben sie stehen. Das einzige Licht kam offenbar aus der Kirche. Unversehens verstummten die Stimmen, und ein Mann begann einen Sprechgesang. Es hörte sich irgendwie rau an und verursachte in Edies Bauch ein grummelndes Unbehagen.
    «Meine Großmutter hat mir einmal erzählt, dass die Inuit-Frauen, die bei Missionaren arbeiteten, Röcke tragen mussten. Baumwollröcke. Im hocharktischen Winter. Die Missionare sagten, Gott wünscht nicht, dass Frauen Hosen tragen.»
    «Die Menschen glauben alle möglichen verrückten Sachen, wenn man sie lässt», sagte Derek.
    «Ich musste das Geschmiere auf der Leiche von dem kleinen Jungen sehen, Polizist. Es war hässlich, und ich meine nicht walrosshässlich. Ich meine hässlich in einem allumfassenden Sinn. Auf alle Fälle will ich rauskriegen, was die treiben, ob an der Sache mit dem Satanismus was Wahres dran ist.»
    Plötzlich brach der Sprechgesang ab, und eine einzelne klagende Stimme drang zu ihnen. Männer und Frauen kamen nach und nach aus der Kirche.
    «Sie werden es kaum jetzt treiben, wo sie von Polizei und Presse beobachtet werden. Du bist müde, Edie, du kannst nicht klar denken.»
    Sie kehrten zum Wagen zurück. Der Motor sprang stotternd an. Die Ventilatoren spuckten einen warmen Luftstrom aus.
    «Dreh um und fahr noch mal zu der Kurve.»
    Er tat ihr den Gefallen, ließ aber diesmal den Motor laufen.
    «Hast du hier die Leiche gefunden?»
    Sie nickte und wies in den tiefen dunklen Wald.
    «Als ich auf Peter und Natalia Galloway traf, waren sie auf dem Rückweg zum Gelände, aber sie sind nicht hier auf der Straße gefahren, sondern durch den Wald. Natalia hat mir später erzählt, dass sie zum Einkaufen in der Stadt waren. Und das glaube ich ihr, wenn ich auch sonst nicht weiß, was ich ihr glauben soll. Lucas Littlefish ist an einer Strecke abgelegt worden, die die Galloways regelmäßig gefahren sein müssen, gleich außerhalb der Altgläubigen-Siedlung. Aber den Weg haben vermutlich auch andere benutzt.»
    Es hatte angefangen zu schneien, die Flocken fielen so dicht, dass die Scheibenwischer kaum noch gegen sie ankamen. Einen Moment lang hatte Edie das Gefühl, begraben zu sein, als wäre der Schnee nur eine Sache neben anderen – zumeist Erinnerungen –, die auf sie niederdrückten. Sie legte die Hand an den Türgriff.
    «Edie, das ist Wahnsinn.» Aber sie sprang schon in den Schnee.
    Derek stieg aus und ging zu ihr. «Es ist dunkel, und der Schnee lässt so bald nicht nach.»
    «Deshalb müssen wir es jetzt tun», sagte sie. «Keiner sieht uns, und wir können unseren Fußspuren zurück zum Wagen folgen.»
    Als er wieder auf die Fahrerseite ging, weil er den Motor abstellen wollte, zeichnete sich vor den Fichten plötzlich eine Gestalt ab, ein junges Mädchen, das sie wie benommen anstarrte und dann, so unversehens, wie es aufgetaucht war, zwischen den Bäumen verschwand wie ein erschrecktes Reh. Derek fuhr herum, ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. Einen Moment waren sie beide wie gelähmt. Neben ihnen brummte leise der Wagen.
    «Verdammt, Edie, das Mädchen kenne ich! Man hat sie vor ein paar Tagen in Nome ins Chukchi-Motel gebracht. Ich schwöre, das ist sie. Zwei wesentlich ältere Männer waren bei ihr.» Dereks Augen glitzerten.
    Sie schnappten sich die Taschenlampe

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