Zeichen im Schnee
Fall haben sie keine Ahnung, mit wem sie es zu tun haben.»
«Wir sollten beide hingehen.» Sie erzählte ihm, dass sich bestätigt hatte, was sie die ganze Zeit schon vermutete, nämlich dass Lucas Littlefish schon einige Monate tot war, bevor er von wer weiß wem im Wald abgelegt wurde. «Vielleicht treffen wir bei dem Begräbnis jemanden, der uns helfen kann. Auf alle Fälle schadet es nicht hinzugehen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen und den Littlefishs zu zeigen, dass er uns am Herzen liegt.»
«Weil?»
Edie sah Derek mit diesem aufgebrachten Blick an, den er nur zu gut kannte.
«Weil es stimmt. Weil er mir am Herzen liegt, okay? Und zwar sehr.»
Er schüttelte seufzend den Kopf. «Edie, ich weiß, du willst das nicht hören, aber diese Sache fängt langsam an zu stinken. Du musst Detective Truro sagen, was du weißt. Lass das die richtigen Leute deichseln.»
Sie wedelte ungeduldig mit der Hand. «Er weiß sowieso von der Gerichtsmedizin, dass Lucas schon länger tot war. Aber warum hat er sich dann so viel Mühe gegeben, mich zu der Aussage zu bringen, dass Galloway es an dem Tag getan hat, als ich die Leiche fand?»
«Das weiß ich nicht, Edie, ich weiß aber, dass wir uns um das Iditarod-Rennen kümmern müssen.»
Edie dachte an Sammy und daran, wie wichtig ihm das Rennen war. Noch hatte sie ihn nicht im Stich gelassen, aber je mehr sie in den Fall Lucas Littlefish verwickelt wurde, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht da sein würde, wenn Sammy sie am dringendsten brauchte.
«Okay», sagte sie schweren Herzens, «fahren wir zu Detective Truro. Das heißt aber nicht, dass ich Lucas Littlefish aufgebe.»
***
Derek parkte den Mietwagen vor dem APD -Büro in Anchorage. Edie stieg aus und ging, ohne nach rechts und links zu schauen, über die Straße. Die Autos bremsten und fuhren hupend um sie herum. Ein Mann lehnte sich aus dem Fenster, schrie «Blödes Miststück!» und zeigte ihr den Stinkefinger.
Sie gab es ihm beidhändig zurück. «Heb dir einen davon für später auf.»
Durch die Drehtür betrat sie das Foyer des Polizeigebäudes. Der Mann am Empfang bat sie zu warten. Kurze Zeit später erschien die Frau mit dem Klemmbrett, die sie beim ersten Mal zu Truros Arbeitsplatz gebracht hatte. Edie versuchte sich an ihren Namen zu erinnern. Kathy.
«Was kann ich für Sie tun, Miss Kiglake?»
«Kiglatuk.» Was ihr ein böses Lächeln von Kathy eintrug. «Ich muss Detective Truro sprechen.»
Der Mund der Frau bekam einen verkniffenen Zug. «Wir haben heute alle Hände voll zu tun.»
«Ich muss Detective Truro etwas mitteilen. Über den Jungen. Lucas Littlefish. Was ich erfahren habe.»
«Das ist ja schön, Miss Kiglake.» Kathy atmete ein und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Sehr groß war sie nicht. «Bloß, Detective Truro braucht sich das nicht anzuhören. Wir haben am Morgen schon eine Verhaftung vorgenommen, und hier wird es heute sehr turbulent zugehen.» Sie wandte sich schon ab, doch Edie hielt sie mit der Hand zurück.
«Sie haben Anklage gegen Peter Galloway erhoben?»
Kathy summte leise «Jaha» und schloss mit einem zufriedenen: «Darauf können Sie wetten.»
Edie stürmte in den kalten Abend hinaus und riss die Beifahrertür des Mietwagens auf.
«Sie haben schon Anklage gegen Galloway erhoben.»
«Ach ja?»
«Sie wollten sich nicht anhören, was ich zu sagen hatte. Irgendwas stimmt da nicht. Ich weiß nicht, was und warum, aber wie es aussieht, hat Detective Truro sich seine Darstellung zurechtgelegt, und an der hält er eisern fest.»
Derek sah sie an und zuckte seufzend die Schultern. Sie sah, er hatte jetzt begriffen, dass sie dranbleiben würde, ohne Rücksicht auf Verluste. Und sie sah auch, dass er auf ihrer Seite war.
«Hast du Lust auf eine Spritztour?» Sie schaltete das Autoradio ein.
«Aber nur, wenn du mich ans Steuer lässt.»
«Ich dachte, wir machen einen Ausflug zum Meadow-See», sagte sie. «Da soll es abends wunderschön sein.»
***
Als sie Anchorage hinter sich ließen, über sich den gelblichgrau verwischten Horizont, war Edie froh, dass sie nicht selbst fuhr. An der Gabelung zwischen dem Glenn Highway und dem George Parks Highway bogen sie rechts ab in Richtung Wasilla. Die Schneepflüge waren unterwegs gewesen, doch der Asphalt vereiste schon wieder. Am Meadow-See gleich hinter Wasilla erhob sich eine Eule in die Lüfte. Sie kamen zu der Abzweigung zum Hatcher Pass. Die Reifen drehten durch, fanden dann Halt, und der
Weitere Kostenlose Bücher