Zeichen im Schnee
Wölfen zum Fraß vorgeworfen.»
Foulshams Handy summte. Er sah auf das Display und schaltete es ab.
«Schauen Sie», begann er, um einen beruhigenden Ton bemüht, «ich denke, das konnte keiner von uns ahnen.»
«Ah,
Irrtum
.» Marsha deutete auf sich. Ihre Finger waren wie Angelhaken. «Ich
habe
es geahnt, aber auf mich wollte ja keiner hören.»
Andy verfiel in seinen ruhigen Schadensbegrenzungston. «Wir können das wieder wettmachen.»
Marsha, die jetzt wieder auf- und abging, drehte sich blitzschnell um und baute sich vor den beiden auf.
«Sie haben verdammt recht, und ob wir das können», sagte sie und zeigte anklagend auf Foulsham. «Weil
Sie
sich nämlich besinnen werden, bei wem Sie beschäftigt sind.» Der anklagende Finger wanderte von ihm zu Chuck. «Und
wir
werden überlegen, wie der Bürgermeister auf die Verhaftung von Peter Galloway reagieren soll. Und dann schreiben wir einen Artikel für den morgigen
Anchorage Courier
, in dem wir darlegen, dass der Bürgermeister die Existenz der Finstergläubigen nie in Abrede gestellt, sondern lediglich erklärt hat, es gebe bislang keine Beweise dafür, dass die Sekte etwas mit dem Tod des Jungen zu tun hatte. Wir schreiben, dass das alaskische Volk trotz seiner stolzen Tradition der Redefreiheit keine Form religiöser Verehrung dulden wird, die Gewalt gegen irgendjemanden gutheißt, geschweige denn gegen Kinder.» Sie seufzte und schloss kurz die Augen. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck zwischen moralischer Entrüstung und Erleichterung, wie immer, wenn sie spürte, dass sie Oberwasser hatte. Schließlich bat sie Andy, sie ein paar Minuten mit ihrem Mann allein zu lassen.
Als der PR -Manager draußen war, sagte sie: «Du musst das Blockhaus räumen. Sofort. Alle müssen raus.»
Chuck schloss die Augen und seufzte. Er hatte die ganze Blockhausgeschichte längst bereut, diese leidige Angelegenheit.
«Und wir sollten uns morgen auf dem Begräbnis des Kindes sehen lassen. Ich sage April, sie soll das in die Wege leiten.»
Chuck wischte sich mit der Hand über die Stirn.
«Dann müssen wir noch jemanden für Wahlkampfspenden auftreiben. Jemanden, den wir noch nicht angesprochen haben und der sich überreden lässt, ein paar Anzeigen zu finanzieren.»
Chuck seufzte matt. «Ich muss das mit Andy klären.»
Marsha kam auf ihn zu, die Arme verschränkt.
«Andy kann mich mal.»
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14
Edie war noch keine fünf Minuten zurück, als die Sprechanlage summte.
«Du hast wirklich ’n Knall», sagte Derek. «Ich hab in der Kaffeebar gegenüber auf dich gewartet; ich dachte, Sammy wird ein paar Tage ohne mich zurechtkommen.»
Sie lächelte in sich hinein. «Komm rauf», sagte sie. «Bin gerade aus Homer zurück.»
Es tat gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Sein Atem roch nach Zigarettenrauch. Sie zog ihn an seinem Parka nach drinnen. «Du hattest recht mit dem Autofahren. Die verdammte Karre auf den Bergstraßen zu lenken, das war, als würde man eine eingefettete Robbe über Neueis schieben.»
Sie berichtete ihm von ihrem Besuch bei den Littlefishs und dass Schofield gelogen hatte, als er sagte, er würde sie nicht kennen, und dass er auf ihre Frage, ob er Fonseca kenne, behauptet hatte, die Sache mit dem Jungen nicht verfolgt zu haben, was vermuten ließ, dass er von der Verbindung zwischen beiden wusste – Informationen, die, soweit Edie wusste, nicht allgemein bekannt waren.
«Du meinst, er kennt Fonseca?»
«Ich weiß nicht. Möglicherweise ist er nervös geworden, als ich ihn nach den Littlefishs gefragt habe, und das hat ihn ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Wie auch immer, falls er Fonseca kennt, gibt er’s nicht zu.»
«Das war ganz großartig von den Littlefishs, dich zum Begräbnis einzuladen. Ein Vertrauensbeweis.»
Derek war, wie Edie, mit den alten Tabus aufgewachsen, sie waren ihm vertraut wie das Weiße an seinen Fingernägeln. Er war im Norden weit genug herumgekommen, um zu wissen, dass die meisten Einheimischen ungern mit Außenstehenden über die Toten sprachen. Meistens blieben sie bei Begräbnissen und den damit verbundenen Ritualen unter sich. Oft brachte es Unglück, auch nur den Namen der verstorbenen Person zu erwähnen, selbst nach dem Begräbnis. Manche Leute glaubten, es bringe die Geister auf, die dann nicht akzeptierten, dass die Verstorbenen nicht mehr unter den Lebenden weilten.
«Vielleicht wollen sie mich nur von der Fährte abbringen», sagte Edie.
Derek lachte krächzend. «In diesem
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