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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Identität preiszugeben! Gut, dass er einfach abgehauen war. Sie hatte alles gehört. Hoffentlich war Uwe nicht so dumm und würde sie einfach gehen lassen. Aber so blöd konnte nicht einmal der Herr Tierheilpraktiker sein. Er steckt schließlich genauso mit drin.
    Er lief aus dem Wald hinaus auf das freie Feld. Die Polizisten waren weitergezogen, er sah sie nur noch als Punkte am grauen Horizont.
    Er hatte gleich gewusst, dass er diesem Ehrlinspiel nicht trauen konnte. Er war ein Heuchler. Wie Krenz. Wie alle. Sogar wie Uwe, der den Gleichgültigen gegeben hatte. Als könne er sich jetzt einfach so aus der Affäre stehlen. Als hätten sie kein gemeinsames Verbrechen begangen! Wie Edith, die gestern Abend einfach abgehauen war! Und wie Lene, die es nicht einmal ins Theater geschafft hatte. Schwach! Alle schwach! Feiglinge!
    Aber
er
würde jetzt durchhalten.
Er
würde den Engel finden!
    Er drehte sich ein paar Mal um sich selbst. Wohin? In Richtung der Häuser am Ende des Weges, weg vom Wald? Weiter an den Bäumen entlang, wo der Acker brachlag und wo es nach Tod und Moder roch? Er starrte über die Wiesen, lauschte auf das Gluckern, das von allen Seiten zu hören war, blickte über die Wipfel der Tannen, die wie Wegweiser in den Himmel zeigten.
    Und wenn sein Engel gerettet war, dann gnade denen, die all das zu verantworten hatten.

[home]
    35
    Montagnachmittag
    W er war das?« Mit beiden Händen raffte Edith eine knielange Strickjacke vor ihrer Brust. Sie stand barfuß in der Tür. Elend, verlebt, so welk wie eine der Frauenfiguren aus Harold Pinters Dramen.
    »Eine Kundin.« Uwe deutete auf die Transportbox, die neben der Tür zu den Außengehegen stand. Sie war leer.
    Sie nickte, stellte keine Fragen, und Uwe überlegte, ob Edith Günther nicht gesehen und ob sie außerdem die Frau nicht erkannt hatte, die ihm vor wenigen Minuten nachgesehen hatte, als er den Siamkater hinaustrug. Wie er gehofft hatte, war sie ihm gefolgt.
    Natürlich hatte Hanna Brock in Jeans nicht so elegant ausgesehen wie gestern Abend in dem pinkfarbenen Seidenkleid. Und Edith hatte wohl nur Augen für eines gehabt … nein, für
einen!
Hass, Zorn, Trauer, Enttäuschung … Sofort zog sich dieses kalte Stahlband eng um seine Brust und nahm ihm die Luft zum Atmen. Hau nur ab, Günther, es wird dir nichts nützen, dachte er und sagte: »Lass uns einen Tee trinken.« Er ging an Edith vorbei, ohne sie anzusehen, ins Wohnhaus und die schmale Holztreppe hinauf in die Küche.
    »Wuff.« Streuner gähnte sein zahnloses Gähnen und humpelte herbei.
    Mechanisch strich Uwe über den struppigen Hundekopf und setzte den Wasserkessel auf den Gasherd. Kurz leckten die blauen Flammen am Rand des Kessels entlang, dann zogen sie sich zurück, und ganz leise begann das Wasser zu brodeln.
    Hinter ihm knarrten die Treppenstufen. Er sah sich nicht um, sondern schnitt die Ingwerstückchen klein und warf sie in das dampfende Wasser, so wie er es seit siebenundzwanzig Jahren jeden Tag tat. Abends, kurz bevor sie nach Hause kam, manchmal am Tag, wenn sie keine Probe hatte und er ihr die Tasse nebenan in das kleine Arbeitszimmer brachte, manchmal mit einem selbstgebackenen Stück Apfelkuchen dazu.
    Der scharfe Dampf stieg ihm in die Nase. Vielleicht würde dies der letzte Tee mit Edith sein.
    Die Bank knarrte. Sie hatte sich gesetzt. Uwe nahm die Keramikbecher aus dem Schrank, strich sanft über die glatte, blaue Lasur, die wie ein Teil ihres gemeinsamen Lebens und Liebens war.
    Honig, Zitrone, Ingwersud, Tassen füllen und auf den Tisch stellen. Er handelte ganz automatisch. Edith sah ihn an, und in ihren türkisfarbenen Augen sah er plötzlich Günthers Bild. Er blickte weg und legte die Hände fest um die Tasse, dankbar um die Hitze an seinen Handflächen, die ihm zeigte, dass er noch lebte. »Du liebst ihn.« Er beobachtete die Zitronenstückchen, die auf der Oberfläche des Tees schwammen.
    »Ja.« Noch immer hielt sie ihre Jacke mit beiden Händen vor der Brust zusammen, als müsse sie sich schützen.
    Edith war konsequent, sogar bei ihrem Betrug. Jahrelang. Nie hatte sie etwas gesagt, ihn nur zum Narren gemacht. Zum alten, hoffnungslos liebenden Narren. »Was willst du jetzt tun?«, fragte er nach einer kleinen Ewigkeit.
    »Ich werde gehen.«
    Für ein paar Sekunden drehte sich die Welt, flimmerten die Bilder um ihn: Edith, jung, in dem dünnen weißen Kleid als Johanna von Orleans auf der Freilichtbühne; Edith bei ihrem ersten Besuch hier im Haus, wie sie die

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