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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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befestigte. Eine zusammengekauerte Gestalt, ungewöhnlich breit. Sie schien ihn nicht zu bemerken, schwankte leicht hin und her, das Weinen klang laut, zog über das dunkle Wasser – und gehörte eindeutig einem Mann.
    Behutsam setzte der Hauptkommissar einen Fuß vor den anderen, bis er nur noch etwa drei Meter von der Gestalt entfernt war. Da erkannte er es: Der Mann hielt eine kleine Gestalt in den Armen.
    »Geben Sie sie mir.« Er musste sich zusammenreißen, um souverän und ruhig zu reagieren.
    Der Mann drehte sich langsam um. »Ich hab ihr nichts getan. Sie war schon tot. Ich wollte nur … Marius muss sie getötet haben. Oder Vanessa. Sie kennen als Einzige das Versteck!«
    Rebecca. Tot. Die Eisenkralle griff noch fester zu. »Marius lebt nicht mehr, Herr Tretter.«
    Torben schniefte laut. »Sie lügen! Diese Scheiße hier können Sie mir nicht anhängen. Ich hab Marius Mist erzählt, stimmt. Aber die Kleine da« – er sah auf sie hinab –, »die geht nicht auf meine Kappe. Sie wollen mich doch nur in den Knast stecken.«
    Stimmt, dachte der Hauptkommissar, streckte ruhig die Arme aus und sah, dass sie weder Strumpfhose noch Unterhose trug. Er würgte. Nein, bitte, das konnte nicht sein! Nicht auch noch das! »Geben Sie mir Rebecca. Bitte. Ihnen wird nichts geschehen.«
    »Hauen Sie ab! Sonst werfe ich die Kleine ins Wasser. Dann können Sie mir endlich was anhängen. Und wenn’s nur Leichenschändung ist.«
    Da sprang ein Mann auf Torben zu, brüllte »Du Schwein«, der Junge fuhr herum, doch der Mann riss ihn zu Boden, und im nächsten Moment erklang ein dumpfes Platschen, Torben lachte und weinte gleichzeitig.
    »Nein«, schrie der Angreifer, und sein Schrei zerriss die Nacht. Er kam auf die Beine, wollte ins Wasser springen, fiel, schlug Torben seine Fäuste ins Gesicht, und noch als Freitag und die beiden Polizisten herbeistürzten und die Männer zu trennen versuchten, riss der Hauptkommissar sich Jacke und Pullover vom Leib, streifte Jeans und Schuhe ab, lief über den kalten, nassen Sand. Er zögerte nur Sekunden, stand auf dem Betonstreifen, blickte in die wütende Strömung weiter draußen und den ruhigeren Rheinarm direkt vor sich. Die wenigen Stämme und Wurzeln konnten ihm in Ufernähe Halt geben. Er sprang in die dunkle Flut.
    Die Kälte nahm ihm den Atem, und er glaubte, sie risse ihn auf den steinigen Grund hinab. Er drehte sich, um nach dem Mädchen zu suchen, sein Blick ging über die dunkle, glänzende Oberfläche, und bei jeder Bewegung schmerzten seine Muskeln mehr. Er erkannte kaum etwas, kraulte, um möglichst viel Wärme zu erzeugen, verfluchte seinen Arm, den er nicht mehr ganz ausstrecken konnte, seit er versucht hatte, Peter vor dem Ertrinken zu retten.
Nein,
sagte er sich, nicht daran denken, lass das Déjà-vu nicht zu!
Es ist vorbei.
Da sah er das Bündel, nur wenige Meter entfernt, leicht schaukelnd. Vorsichtig schwamm er darauf zu. Mit jeder Sekunde wurde er unbeweglicher, spürte seine Arme und Beine kaum noch, und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Endlich! Der Kommissar griff nach dem Bündel – und hielt einen dicken Ast mit einem Stück Plastikplane zwischen den Fingern, die sich blähte wie ein kleines Segel.
Verdammt!
    Wieder drehte er sich, doch seine Kräfte ließen nach.
Nicht aufgeben!
Vielleicht lebte sie ja doch noch, vielleicht war sie in Torbens Armen ja nur bewusstlos gewesen! Sie
muss
leben. Sie darf nicht sterben!
    »Da drüben, Moritz!« Es war Freitag, der den Lichtkegel nur wenige Meter von ihm entfernt auf das Wasser richtete.
    Ein winziges Etwas wölbte sich inmitten des erleuchteten Flecks, trieb auf der Oberfläche.
    Moritz schwamm langsam, jeder Zug kostete ihn mehr Kraft.
    »Du hast sie gleich, Moritz!«
    Er kämpfte weiter, das Etwas wurde winziger, die Flut zog es vor seinen Augen hinab, und seine Hände und Arme gehorchten ihm kaum noch, als er nach Rebecca greifen wollte. Die Sekunden dehnten sich zu Minuten, und endlich, als er sich nicht mehr spürte und die dünne, kalte Atemluft auch sein Inneres erstarren ließ, spürte er etwas Weiches in den Händen, etwas, das ein kleiner Mensch war und das er jetzt festhielt, als sei es sein eigenes Leben. Wie das Seil mit dem Rettungsring zu ihm kam, wusste er nicht, doch er klammerte sich daran fest und ließ sich ans Ufer ziehen. Arme griffen über den Betonvorsprung und hoben Rebecca aus seinen Armen, und erst, als auch jemand nach ihm griff und ihn hochzog, sah er, dass die schiefen Bäume und

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