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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Schmerz beim Verlust wirklicher Kinder sein musste. Wie es den Assmanns wohl ging? Seit sie nach Mitternacht die kubistische Betonvilla verlassen hatten, war nichts mehr passiert. Keine guten Nachrichten, keine schlechten. Die Kollegen vom Revier Süd würden die nächsten Stunden mit der Befragung der Straßenbahn-Fahrgäste verbringen.
    »Bentley«, rief Ehrlinspiel, doch der Kater kam nicht.
    Nachdem er geduscht hatte und in frischen Jeans und seinem Lieblingspullover, einem irischen Stück mit Zopfmuster, an der Theke zwischen Küche und Wohnzimmer saß, fühlte er sich besser. Doch die Euphorie der letzten Tage und seine Vorfreude auf all das, wovon er so lange geträumt hatte, war gedämpft. Er hatte nicht einmal Lust auf seine neue Lieblingsmusik.
Quadro Nuevo.
    Er aß einen Toast mit Himbeermarmelade und trank zwei Tassen heißen Espresso.
    Die Sache mit den Assmann-Kindern erfüllte ihn mit Sorge. Bis gestern Abend waren sie davon ausgegangen, dass Marius sich mit seiner Schwester herumtrieb, für einige Stunden nur, ein dummer Streich. Doch die Sache mit Annika hatte diese Hoffnung zunichtegemacht. Über zwanzig Stunden waren mittlerweile vergangen – kein gutes Omen.
    Er blickte die vier Stockwerke auf die verschneite Straße hinunter. Autos parkten entlang des Bürgersteigs. Im Licht der Straßenlaternen wirkte alles wie weißlackiert. Der Himmel war sternenklar, und die Mondsichel sank mit jeder Minute tiefer, berührte schon fast die Dächer am Horizont.
    Unwillkürlich rieb er sich über die Oberarme. Irgendwo da draußen waren Marius und Rebecca. Und fast wollte er zu Gott, von dem er nicht einmal wusste, ob es ihn gab, beten, dass die Kinder unversehrt nach Hause zurückkehren würden. Dass sie vor der Haustür ihrer Eltern ständen und sagten: »Wir haben gespielt und nicht auf die Uhr geschaut.« Oder dass Marius seiner Schwester die Schlangenausstellung im Naturkundemuseum erklärt hatte und sie versehentlich eingeschlossen worden waren. Dass Rebecca Marius überredet hatte, zum Tiergehege Mundenhof zu gehen, und sie sich verlaufen hatten. Dass … Er konnte sich hundert Dinge vorstellen. Gedankenlosigkeit der Kinder, Abenteuerlust, Rache für eine falsch verstandene Erziehungsmaßnahme der Eltern oder eine Art Erpressung, weil sie keinen Hund oder kein Pferd oder sonst ein Tier bekamen. Aber nicht, dass etwas Schlimmes passiert war. Gleichzeitig wusste er mit einer Sicherheit, die ihn nach fünfzehn Kripojahren nur selten trog, dass die Kinder nicht einfach so zurückkehren würden. Und dass er seine Dachgeschosswohnung mit der kleinen Galerie in den nächsten Tagen nicht oft zu sehen bekäme.
    Sein Blick ging durch das Wohnzimmer. Kisten mit Flohmarktkrempel vor der Tür zur Dachterrasse. Zusammengeschobene Bücher. Der Tisch verschoben.
    Wie wohl alles werden würde? Er atmete tief durch. Er würde es endlich tun. Es wagen. Leben. Kurz glaubte er, den feinen Geruch nach Lavendelseife wahrzunehmen, und lächelte.
    Ein Poltern drang in die Küche herein. Gleich darauf schlich Bentley um die Ecke und blieb vor dem Fressnapf sitzen.
    »Hey!« Der Kommissar war erleichtert. »Wenigstens du tauchst von allein auf.« Er ging neben dem Tier in die Hocke und kraulte seinen Hals. Bentley fraß ein paar Happen. Vielleicht, dachte Ehrlinspiel und schnappte seine schwarze Leder-Umhängetasche, ist
das
ja ein gutes Omen.

    Der Schuldirektor sah Josianne Schneider an und faltete die Hände auf dem Besprechungstisch. »Wir haben keine Probleme mit Marius.« Ein breiter Goldring schnitt in sein Fleisch und zeugte von schlankeren Zeiten. »Wir schätzen die Familie Assmann sehr.« Er nickte, als wolle er seine eigenen Worte bekräftigen, und seine Lider hingen so weit herab, dass sie beinahe die Augäpfel verdeckten.
    Neben dem Direktor und gegenüber von Ehrlinspiel und Josianne saß eine zierliche Frau. Sie hatte sich als Elisabeth Heinemann vorgestellt und war die Mathematiklehrerin Rebeccas. Die vier hatten sich eine Stunde vor Schulbeginn im Büro des Direktors getroffen, und Ehrlinspiel überließ seiner Kollegin das Wort.
    Josianne lächelte. »Wie gut kennen Sie die Eltern Assmann?«
    »Nicht so gut, wie ich Sie kenne. Obwohl Sie erst seit dem Winter hier aktiv sind. Immer noch heiser?« Der Direktor zwinkerte und beugte sich etwas nach vorn. Sein hellgraues Hemd spannte sich straff über seinen Schultern. »Die Probleme unserer Jugendlichen sind uns durchaus bekannt. Das ist Alltag an unseren Schulen.

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