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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sich einen Kaffee aus der Maschine. »Es hätte die Suche kaum beschleunigt, wenn ich schon in aller Herrgottsfrühe im Haus herumgelaufen wäre.«
    Lene presste eine Faust auf den Mund.
    Nein, aber du hättest deiner Frau geholfen! Du hättest mit ihr suchen und ihre Seelenqual vielleicht ein wenig lindern können, dachte Ehrlinspiel und wechselte das Thema. »Marius hat Probleme in der Schule. Haben Sie ihn deswegen unter Druck gesetzt?«
    Assmanns Blick ging zu Lene. »Probleme in der Schule? Was soll das heißen?«
    »Wir haben ihn nicht unter Druck gesetzt.« Lene setzte sich an den Tisch neben die Kochinsel. Die Platte war mit weißen Klecksen übersät. »Im Gegenteil. Ich habe auf ihn eingeredet, wollte ihn unterstützen. Aber er … er hörte nicht zu. Wir waren in seinem Zimmer. Er ist auf dem Bett gelegen, die Ohrstöpsel von seinem iPod im Ohr. ›Du willst doch studieren‹, hab ich laut gesagt, um das blecherne Durcheinander zu übertönen. ›Du hast sogar an Medizin gedacht oder an Pharmazie.‹ Aber er hat sich zur Wand gedreht und gesagt, das sei vorbei. Ich hab nicht lockergelassen. Das war vielleicht ein Fehler. Irgendwann hat er die Lautstärke voll aufgedreht, seine Trommelfelle müssen geplatzt sein, und da lag er wie ein Fötus und hat geschrien ›Raus hier, raus, hau endlich ab, lasst mich doch alle in Ruhe‹. Ich bin gegangen, bin dabei gestolpert, es hat mich verletzt, und ich hab mich so hilflos gefühlt. Als ich schon an der Treppe nach unten war, hab ich gehört, wie er den Schlüssel umgedreht hat. Ich … ich weiß einfach nicht, was in den Jungen gefahren ist. Später hab ich mich dann geärgert. Ich geb mir solche Mühe, und ihm ist alles egal. Aber jetzt, jetzt …«
    Bitte keine Tränen, dachte Ehrlinspiel. Mit weinenden Frauen konnte er nur schwer umgehen. Freitag war besser darin, doch der musste heute Vormittag mit seinen kleinen Töchtern und Lilian, seiner Frau, zu einem Elternvorspiel. Freitags Mädchen sangen seit kurzem in einem Kinderchor. Und nichts auf der Welt würde Paul Freitag dazu bringen, die Kleinen zu enttäuschen, indem er ihrem ersten kleinen Auftritt fernblieb.
    Assmann setzte sich zu seiner Frau. Immerhin. »Weine nicht, Schatz. Ich … wir … wir machen das schon.«
    »Gar nichts machen wir«, sagte sie, und dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
    »Hat Marius seinen Laptop normalerweise in die Schule mitgenommen?«, fragte Ehrlinspiel rasch. Fakten anzusprechen half oft gegen zu große Emotionen, auch wenn diese nur allzu verständlich waren.
    »Was?« Lenes Mund zuckte.
    »Wir wüssten gern, was ihn in letzter Zeit beschäftigt hat. Mit wem er in Kontakt stand, sich E-Mails geschrieben oder über Facebook, Twitter und andere Netzwerke kommuniziert hat.«
    »Ja. Er hat ihn manchmal mitgenommen. Einmal hat er auch etwas von StudiVZ gesagt und von Facebook. Aber da sind doch alle drin heutzutage, das ist ja nicht verboten.«
    »Natürlich nicht.« Marius’ Profile in den sozialen Netzwerken hatten sie schon heute Nacht von eigenen Accounts aus gecheckt, soweit möglich. Er war unter seinem realen Namen zu finden gewesen. In den letzten Wochen aber war er kaum mehr aktiv gewesen. Allerdings hatten dieser Torben, Konstantin und eine Nessy ihn einige Male verbal angegriffen.
Verpiss dich, armer Reicher
stand da,
Schlappschwanz bleibt Schlappschwanz
und
Wer mit dir redet, blutet.
Doch Marius hatte nicht darauf reagiert, und irgendwann hatte das wohl aufgehört. Harmlos war das keineswegs. Wie es allerdings im realen Schulalltag aussah? Leiden konnten ihn die drei auf jeden Fall nicht.
    Die Eltern schwiegen. Schulter an Schulter saßen sie am Tisch, die Hände ineinandergelegt. Und dann sah Ehrlinspiel die Tränen auf Günther Assmanns Gesicht. Zwei Menschen zwischen so viel Luxus, der ihnen jetzt nichts half. Und der sicher nicht durch schauspielerische Leistungen zustande gekommen war.
    Als Künstler verdiente Assmann kein Vermögen, das hatte Ehrlinspiel gestern noch recherchiert. Offenbar hangelte er sich freiberuflich von Engagement zu Engagement. Hätte er eine Festanstellung, so würde er auch nicht reich werden. Außerdem hatte er mit Hanna über die Bedeutung eines Faust-Auftrittes geredet. Ohne zu sagen, weshalb. Forsch, wie sie war, hatte sie noch während des Telefonierens gegoogelt und irgendwo ein Interview gefunden, in dem Assmann von seinem Traum, ans Wiener Burgtheater zu gehen, sprach. »Ist dieser Assmann so super? Ich hab den

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