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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Namen noch nie gehört. Und ich war als Redakteurin jahrelang in VIP -Kreisen unterwegs. Wenn man ans Burgtheater will, muss man schon jemand sein, bevor man überhaupt zum Vorsprechen eingeladen wird. Angeblich läuft da viel über« – er hatte die Tastatur klappern und sie lachen hören – »Freunderlwirtschaft. Behauptet zumindest einer der abgewiesenen Schauspieler.« – »Er brauchte also Beziehungen nach Wien?« – »Vermutlich. Aber er wäre auf jeden Fall ein gemachter Mann.« Während sie sprach und vorlas, hatte Ehrlinspiel sie sich in ihrer leeren Hamburger Wohnung vorgestellt. Im Schneidersitz auf der letzten Matratze für die letzte Nacht, den Laptop auf den Beinen und mit einem pinkfarbenen Schlafanzug und Socken mit Antirutschnoppen bekleidet. Neben der Matratze das Saxophon – alles andere war bereits in den Lkw der Spedition geladen. Sofort war dieses wohlige Kribbeln seinen Nacken hinuntergewandert, doch dann hatte er gleich wieder an die verlorenen Kinder gedacht. »Ich habe die Theaterplakate gesehen, vielleicht könnten wir zur Premiere gehen am Sonntagabend«, hatte er ihr vorgeschlagen, und sie hatte begeistert zugestimmt, vermutlich in der Annahme, er wollte ihr eine Freude machen.
    »Marius ist ein … Einzelgänger«, sagte Assmann jetzt in die bedrückende Stille hinein. Die Tasse stand vor ihm, er hatte sie nicht angerührt. »Ich habe immer gehofft, er würde … ein nettes Mädchen finden, das ihn, na ja, motiviert. Man hat ja auch gewisse Erwartungen an seinen Sohn.«
    »Und die erfüllt er nicht?«
    »Ich hätte ihn gern im künstlerischen Bereich gesehen. Aber er kann keinen einzigen Satz anständig artikulieren. Das habe ich ihm auch gesagt. Es interessierte ihn nicht. Er interessiert sich für gar nichts.« Er löste seine Hand aus Lenes und wischte sich über das Gesicht.
    Lene drehte sich zu ihm. »Wie kannst du das nur sagen, du kennst ihn doch gar nicht. Er interessiert sich für vieles! Aber du bist ja nie da! Theater hier, Theater da, und ich spiele hier die duldsame Hausfrau!«
    »Bisher hast du es immer gern gemacht.«
    »Und du meinst, ich kann hier zur Tagesordnung übergehen, ja?« Sie rückte von ihm ab. »Dich weiterhin aufbauen und dir gut zureden, damit der große Meister seine Premiere nicht versaut, während irgendwo da draußen meine Kinder sterben? Bist du die Nacht mit mir in der Kälte gewesen und hast sie gesucht? Hast du Freunde mobilisiert, dass sie uns helfen? Hast du überhaupt gemerkt, dass ich ständig die Gegend absuche? Dass ich herumtelefoniere, wieder und wieder?«
    An Assmanns Hals pochte eine Ader. »Halt den Mund! Sie sterben nicht!« Er stand auf und knallte die Tasse in das Spülbecken. »Und Sie« – er wandte sich an Ehrlinspiel – »haben versprochen, es dieses Mal besser zu machen, und was ist da draußen?« Er zeigte aus dem Fenster zur Straße. »Paparazzi! Die Meute, die sich an unserem Leid aufgeilt. Sie glotzen und rufen, als hätte ich drei Arme und fünf Köpfe! Reicht es nicht, dass ich von den Kollegen wie ein Aussätziger behandelt werde?« Er ballte die Faust. »Schaffen Sie sie weg!«
    Ehrlinspiel dachte an die Worte von Rebeccas Freundin Amelie:
Der nimmt sie nur an der Hand und zieht sie zum Auto. Aber er kommt nur ganz selten. Der mag keine Kinder.
Er musterte Assmanns stahlgraue Augen, die grauen Brauen, die hohe Stirn und den großen Mund, all die Symmetrie und Schönheit in seinem Gesicht, die den Kommissar beim ersten Besuch an eine griechische Statue erinnert hatten. Jetzt schien die Statue zerbrechlich und bedrohlich zugleich. »Die Presse hält still, sie bedrängen Sie nicht.« Er hatte extra Anweisung erteilt, und die Reporter hatten versprochen, abzuwarten.
    Assmann lachte auf, und im selben Moment piepste sein Handy. Sofort verstummte er. Blickte zu Lene. Rührte sich nicht.
    Sie stand auf und ging auf ihren Mann zu, mit jeder Sekunde blasser im Gesicht. Dann schob sie die Hand in seine Jacketttasche.
    »Tu’s nicht«, sagte er, doch sie zog sein Mobiltelefon heraus. Mit einem Ruck packte er sie am Handgelenk, und das Gerät fiel zu Boden.
    »Sag’s ihm, sag’s ihm endlich!«, schrie sie und riss sich los.
    Sie müssen
mir
helfen! Ehrlinspiel sah Lene Assmann im Park stehen, Seitenblicke zum Haus werfend, als sie laut rief: »Ich will nicht, dass meine Kinder sterben!«
    Ehrlinspiel hob das Handy auf, blickte ungläubig auf den Absender und öffnete die Nachricht. Dann rief er den Dezernatsleiter unter

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