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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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durch die Lobby flitzt. Lou stand da und wusste nicht weiter. Wohin mit dem Zweifel? Sollte er sich mit ihm beschäftigen oder ihn lieber ruckzuck wieder rausschmeißen? Er hatte eine Menge Fragen an Gabe, Fragen, die er wahrscheinlich ansprechen sollte, aber in diesem Augenblick fiel ihm nur eine einzige ein.
    »Kann ich Ihnen vertrauen?«, fragte er.
    Er wollte überzeugt werden, beruhigt, aber er bekam einmal mehr eine Antwort, die er nicht erwartet hatte.
    »Mit Ihrem Leben«, sagte Gabe, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Die Präsidentensuite für diesen Mann und sein Wort.

7 Nach reiflicher Überlegung
    Gabe und Lou traten aus der eisigen Luft draußen in die warme, marmorverkleidete Eingangshalle. Als Gabe die cremefarbenen, karamell- und milchschokoladenbraunen Einsprengsel an Wänden, Fußböden und Pfeilern sah, musste er sich beherrschen, um nicht daran zu lecken. Ihm war durchaus bewusst gewesen, dass ihm kalt war, aber erst in dem Moment, als er die Wärme spürte, merkte er, wie sehr. Lou fühlte die neugierigen Blicke, die sich von allen Seiten auf ihn richteten, als er den schlechtgekleideten, struppigen Mann durch die Empfangshalle und weiter zur Herrentoilette im Erdgeschoss führte. Obwohl er selbst nicht hätte sagen können, warum, schaute er vorsorglich in jeder Kabine nach, ob sie leer war, ehe er zu reden begann.
    »Hier, das hab ich Ihnen mitgebracht«, sagte er dann und überreichte Gabe den Kleiderstapel, der inzwischen ein wenig feucht geworden war. »Sie können die Sachen behalten.«
    Er drehte sich zum Spiegel um, kämmte sich die Haare, bis wieder jedes Haar an seinem Platz lag, wischte sich Graupel und Regen von den Schultern und tat überhaupt sein Bestes, um körperlich und geistig zur Normalität zurückzukehren. Unterdessen sah Gabe die Sachen durch: {68 } eine graue Gucci-Hose, ein weißes Hemd, eine grau-weiß gestreifte Krawatte. Vorsichtig befingerte er alles, als hätte er Angst, dass die Sachen sich bei einer Berührung in Luft auflösen könnten.
    Schließlich legte er seine schmutzige Decke im Waschbecken ab und ging zum Umziehen in eine der Kabinen. Lou wanderte unterdessen an den Urinalen auf und ab und beantwortete auf seinem BlackBerry Anrufe und E-Mails. So vertieft war er in seine Arbeit, dass er, als er endlich wieder aufschaute, den Mann, der vor ihm stand, gar nicht erkannte, sondern sich gleich wieder dem Gerät zuwandte. Doch dann stutzte er und sah noch einmal genauer hin.
    Nur die Doc Martens, die unter der Gucci-Hose hervorlugten, erinnerten noch an den Mann von vorhin. Lous Sachen passten Gabe wie angegossen. Wie in Trance stand er vor dem Spiegel, und immer wieder wanderte sein Blick staunend über sein neues Selbst. Ohne die unvermeidliche Wollmütze sah man nun auch seine dichten schwarzen Haare – auch sie denen von Lou erstaunlich ähnlich, nur wesentlich struppiger. Jetzt, wo ihm warm geworden war, wirkten Gabes Lippen voll und rot, und auch die Wangen waren gut durchblutet, nicht mehr kalt und blass wie zuvor.
    Lou wusste nicht recht, was er sagen sollte, denn er spürte, dass dieser Moment viel tiefgreifender war, als er es momentan verkraften konnte. Also flüchtete er sich in die Unverbindlichkeit.
    »Was Sie mir vorhin von den Schuhen erzählt haben – wissen Sie noch?«
    Gabe nickte.
    »Das war gut. Ich hätte nichts dagegen, wenn Sie auch weiterhin bei solchen Dingen die Augen offen halten. Gelegentlich {69 } können Sie mich ja dann auf den neuesten Stand bringen.«
    Gabe nickte erneut.
    »Haben Sie einen Platz zum Wohnen?«
    »Ja.« Wieder sah Gabe zu seinem Spiegelbild. Seine Stimme klang sehr leise.
    »Dann können Sie Harry eine Adresse geben? Er ist jetzt Ihr Chef.«
    »Nicht Sie?«
    »Nein.« Lou holte den BlackBerry aus der Tasche und begann daran herumzuspielen. »Nein, Sie sind in einer anderen … einer anderen Abteilung.«
    »Oh, selbstverständlich.« Gabe richtete sich auf, ein wenig verlegen, weil er wohl etwas anderes erwartet hatte. »Gut. Großartig. Herzlichen Dank, Lou. Ehrlich.«
    Lou nickte nur und wischte den Dank hastig beiseite. »Hier.« Mit abgewandtem Blick reichte er Gabe seinen Kamm.
    »Danke.« Gabe nahm ihn entgegen, hielt ihn unter den Wasserhahn und begann, seine zerzausten Haare etwas in Form zu bringen. Dann führte Lou ihn eilig wieder aus der Herrentoilette, durch die Marmorhalle und zum Aufzug.
    Als Gabe ihm den Kamm zurückgeben wollte, winkte er ab und blickte hektisch in die Runde, um sich zu

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