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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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hätten. Aber Gabe hatte tatsächlich recht gehabt mit den Schuhen und war kein Irrer, wie Lou insgeheim geargwöhnt hatte. Heute früh hatte Gabe außerdem gefragt, ob in der Firma vielleicht ein aufmerksamer Mensch gebraucht wurde. Lou nahm den Telefonhörer in die Hand.
    »Können Sie mir bitte Harry aus der Poststelle geben und dann eins meiner Ersatzhemden, eine Krawatte und eine Hose aus dem Schrank holen und dem Mann bringen, der unten vor der Tür sitzt? Führen Sie ihn aber erst zur Herrentoilette und sorgen Sie dafür, dass er sauber und ordentlich ist, bevor Sie ihn dann bitte in den Postraum mitnehmen. Er heißt Gabe, und ich sage Harry Bescheid, damit er ihn erwartet. Ich befreie ihn von seinem Problem mit der Personalknappheit.«
    »Wie bitte?«
    »Gabe. Eine Abkürzung für Gabriel. Aber nennen Sie ihn ruhig Gabe.«
    »Nein, ich meine … «
    »Tun Sie es einfach. Ach ja, und noch was … «
    »Was denn?«
    »Ich fand den Kuss letzte Woche richtig schön und freue mich schon darauf, Sie irgendwann um den Verstand zu vögeln.«
    Er hörte, wie ihr ein leises Lachen herausrutschte, aber dann legte sie schnell auf.
    Er hatte es wieder getan. Anscheinend besaß er die bewundernswerte {61 } Fähigkeit, jemandem die Wahrheit zu sagen und gleichzeitig das Blaue vom Himmel herunterzulügen. Und indem er etwas für einen anderen Menschen – in diesem Falle Gabe – tat, half er auch sich selbst, denn ein gutes Werk ist ja immer ein Triumph für die Seele. Trotzdem wusste Lou, dass es bei seinem Planen und Helfen noch um etwas anderes ging. Nämlich darum, seine eigene Haut zu retten. Und unter einer weiteren Zwiebelschicht wusste er, dass es Angst war, die ihn zu dieser Maßnahme bewog. Nicht nur die Angst, dass er ganz leicht an Gabes Stelle hätte sein können, wenn Glück und Verstand ihn im Stich gelassen hätten, nein, in einer Schicht, die so tief vergraben war, dass er sie kaum spüren konnte, lauerte die Angst vor einem Riss – vor irgendeinem winzigen Fehler in seinem Karrieremanagement. Sosehr er diese Angst auch zu ignorieren versuchte, sie saß ihm immer im Nacken. Die ganze Zeit war sie da, sie hatte sich nur getarnt und gab vor, etwas anderes zu sein.
    Genau wie der dreizehnte Stock.

6 Ein Deal wird besiegelt
    Als Lous Meeting mit Mr Brennan über die – glücklicherweise nicht vom Aussterben bedrohten, aber trotzdem problematischen – Frösche auf dem Bauplatz in Cork fast beendet war, erschien Alison an der Bürotür. Sie wirkte ziemlich nervös und hatte immer noch einen Stapel Klamotten für Gabe über dem Arm.
    »Tut mir leid, Barry, aber wir müssen jetzt Schluss machen«, drängte Lou seinen Gesprächspartner. »Ich muss los, weil ich noch zwei Termine habe, beide auf der anderen Seite der Stadt, und Sie wissen ja, wie der Verkehr um diese Zeit aussieht.« Mit Jacketkronenlächeln und einem festen warmen Händedruck entlassen, fand Mr Brennan sich im Aufzug Richtung Erdgeschoss wieder, über dem einen Arm seinen Wintermantel, unter dem anderen seine Aktentasche mit dem ganzen Papierkram. Doch trotz des etwas überstürzten Aufbruchs war es gleichzeitig ein sehr angenehmes Meeting gewesen.
    »Hat er nein gesagt?«, fragte Lou.
    »Wer?«, antwortete Alison mit einer Gegenfrage.
    »Hat Gabe das Angebot abgelehnt? Wollte er den Job nicht?«
    »Es war niemand da.« Sie sah ihn verwirrt an. »Ich hab vor der Tür gestanden und seinen Namen gerufen, aber {63 } niemand ist gekommen. Gott, war das peinlich. Sollte das vielleicht ein Witz sein, Lou? Dass ich auf so was noch reinfalle, wo Sie mich neulich schon dazu gebracht haben, den rumänischen Rosenverkäufer in Alfreds Büro zu führen.«
    »Nein, das mit Gabe ist kein Witz.« Er nahm Alison beim Arm und zog sie ans Fenster.
    »Aber da war niemand«, beharrte sie entnervt.
    Lou schaute aus dem Fenster und sah Gabe noch genau an derselben Stelle sitzen. Draußen fing es gerade an zu regnen, erst ein leises Nieseln, dann immer dickere Tropfen, die sich schließlich in Graupelkörner verwandelten. Gabe rutschte weiter in den Hauseingang hinein und zog die Füße dichter an die Brust, weg vom nassen Straßenpflaster. Mit einer raschen Bewegung setzte er seine Kapuze auf und band die Sweatshirtkordel zu, die nach oben über die ganzen dreizehn Stockwerke hinweg irgendwie mit Lou verbunden zu sein schien.
    »Ist das da etwa niemand?«, fragte Lou und deutete aus dem Fenster.
    Alison kniff die Augen zusammen und ging mit der Nase dichter an die

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