Zeit deines Lebens
Telefonschnur bis zur Ecke des Zimmers, um seinen Mantel zu holen. Leider schlug der Balanceakt, gleichzeitig in den Mantel zu schlüpfen und das Telefon zwischen Schulter und Ohr festzuhalten, gründlich fehl, und das Telefon landete auf dem Teppich. Lou zog den Mantel fertig an, bevor er sich schwungvoll bückte, um es aufzuheben. Marcia redete währenddessen unbeirrt immer weiter.
»Kannst du denn wenigstens meine eine Frage nach dem Ort beantworten?«
»Der Ort«, wiederholte er. In seiner Tasche klingelte das Handy, und er legte schnell die Hand darüber, um es auszublenden. Dabei wäre er viel lieber drangegangen.
Einen Moment lang war Marcia still. »Ja. Der Ort«, sagte sie, und ihre Stimme war jetzt so leise, dass Lou die Ohren spitzen musste, um sie zu verstehen.
»Ach ja, der Ort, wo … « Hilfesuchend sah er Alison an. Sie riss endlich die Augen von Gabe los und kam mit einem leuchtend gelben Post-it-Zettel aus seinem Büro zu ihm gerannt.
»Aha!«, rief Lou, schnappte sich den Zettel und vollendete den Satz – wobei man ihm allerdings deutlich anhörte, dass er die Worte ablas: »Der Ort für die Geburtstagsfeier Ihres, ich meine, unseres Vaters. Du suchst also eine geeignete Location für Dads Geburtstag.«
Wieder fühlte Lou eine Präsenz in seinem Rücken.
»Ja«, bestätigte Marcia erleichtert. »Aber du musst nichts suchen, wir haben schon zwei zur Auswahl – erinnerst du dich? Das hab ich dir neulich schon gesagt. Ich brauche bloß deine Hilfe bei der Entscheidung. Quentin findet das eine besser, ich das andere, Mum möchte sich am liebsten raushalten, und … «
»Kannst du mich bitte später auf dem Handy anrufen, Marcia? Ich muss jetzt wirklich los, sonst schaffe ich mein Lunch-Meeting nicht mehr.«
»Nein, Lou! Sag mir einfach, wo … «
»Hör mal, ich weiß da eine tolle Location«, unterbrach er sie erneut mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Die wird Dad garantiert gefallen und allen anderen auch«, versuchte er sie abzuspeisen.
»Ich möchte aber nichts Neues. Du weißt doch, wie Dad ist. Nur ein kleines Familientreffen in einer Umgebung, in der er sich wohl–«
»Intim und gemütlich. Verstanden.« Lou nahm Alison einen Stift aus der Hand und notierte hektisch Stichpunkte für die Feier, deren Planung er Alison anzuvertrauen gedachte. »Wunderbar. Wie war noch mal das Datum, an dem die Party steigen soll?«
»An seinem Geburtstag.« Bei jeder Antwort wurde Marcias Stimme leiser.
»Richtig, an seinem Geburtstag.« Fragend blickte Lou zu Alison hinüber, die sofort zu ihrem Kalender stürzte und in Höchstgeschwindigkeit zu blättern begann. »Ich dachte, wir wollten am Wochenende feiern, damit alle da sein können. Du weißt schon, Onkel Leo soll sich auf dem Tanzparkett austoben und so«, scherzte er.
»Man hat bei ihm gerade Prostatakrebs festgestellt.«
»Darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus. Welches Wochenende liegt am nächsten?«
»Daddys Geburtstag fällt auf einen Freitag«, antwortete sie müde. »21. Dezember, Lou. Genau wie letztes Jahr und all die Jahre davor.«
»Am 21. Dezember, richtig.« Er sah Alison vorwurfsvoll an, die ein schuldbewusstes Gesicht machte, weil sie des Rätsels Lösung nicht als Erste gefunden hatte. »Das ist nächstes Wochenende, Marcia. Warum hast du die Planung denn so lange verschleppt? Ist doch reichlich spät, erst jetzt damit anzufangen.«
»Ich hab nichts verschleppt, ich hab dir doch gesagt, es ist alles vorbereitet. Beide Möglichkeiten sind längst vorgemerkt.«
Wieder hörte Lou nur die halbe Antwort, nahm Alison den Kalender aus der Hand und blätterte nun seinerseits hektisch darin herum. »Ach, so ein Mist, das geht bei mir ja gar nicht. An dem Tag haben wir hier im Büro unsere Weihnachtsfeier, da kann ich unmöglich fehlen, es kommen ein paar wichtige Kunden. Aber wir könnten Dads Feier doch auch am Samstag machen, dann verschiebe ich ein paar Termine«, überlegte er laut. »Ja, der Samstag könnte funktionieren.«
»Dein Vater wird siebzig, du kannst wegen einer Weihnachtsfeier nicht einfach das Datum ändern«, erwiderte sie ungläubig. »Außerdem haben wir schon alles für den Einundzwanzigsten geplant, die Musik, das Essen, alles. Wir müssen uns nur noch endgültig für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden … «
»Sag beide ab«, ordnete Lou abschließend an und erhob sich von der Schreibtischkante. »Die Location, die ich im Sinn habe, organisiert auch Catering und Musik, {78 } du brauchst
Weitere Kostenlose Bücher