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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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wenn du irgendwas anstellst, dann … «
    »Was dann? Dann bringst du mich um?« Abermaliges Dröhngelächter. »Das klingt, als wolltest du dir die Nase abschneiden, um dein Gesicht zu ärgern, mein Freund. Tja, wo zum Teufel soll ich denn hin, hä? Sag es mir! Ich kann nicht heim, ich kann nicht zur Arbeit – also, wohin soll ich gehen?«
    In diesem Moment öffnete sich die Schlafzimmertür, und Ruth erschien. Sie machte einen ebenso erschöpften Eindruck wie ihre Tochter.
    »Ich ruf dich zurück«, sagte Lou und beendete eilig das Gespräch.
    »Mit wem telefonierst du denn um diese Zeit?«, fragte Ruth leise. Sie hatte ihren Bademantel übergezogen und {221 } die Arme schützend um ihren Körper geschlungen. Ihre Augen waren rot und geschwollen, die Haare immer noch zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie sah so zerbrechlich aus, als könnte eine laute Stimme sie umwerfen. Zum zweiten Mal in dieser Nacht wurde Lou warm ums Herz, und er ging mit offenen Armen auf sie zu.
    »Das war bloß ein Typ, den ich kenne«, flüsterte er und strich ihr über die Haare. »Er ist total betrunken, irgendwo in einer Bar, und geht mir mit seinen Anrufen auf den Wecker. Ein echter Loser«, fügte er leise hinzu. Dann klappte er das Handy zu und warf es beiseite, mitten in einen Stapel Teddybären. »Wie geht es dir?«, fragte er, trat einen Schritt zurück und musterte Ruths Gesicht. Ihre Stirn glühte, aber sie fröstelte in seinen Armen.
    »Ganz gut.« Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln.
    »Nein, es geht dir nicht wirklich gut. Du solltest dich schnell wieder hinlegen, ich bringe dir einen feuchten Waschlappen.« Er küsste sie liebevoll auf die Stirn, sie schloss die Augen, und ihr Körper entspannte sich in seinen Armen.
    Am liebsten hätte Lou die Faust in die Luft gereckt und laut gejubelt, aber er wollte die Umarmung nicht lösen. Denn zum ersten Mal seit langer Zeit spürte er, wie Ruth aufhörte, gegen ihn zu kämpfen. Jedes Mal, wenn er sie in den letzten sechs Monaten umarmt hatte, war sie sofort starr und steif geworden – als hätte sie das Gefühl, dadurch deutlich machen zu müssen, dass sie sein Verhalten nicht billigte. Doch nun genoss er diesen Moment, in dem sie in seinen Armen ganz weich wurde – es war ein stummer, aber unschätzbarer Etappensieg für ihre Ehe.
    Auf einmal fing das Handy zwischen den Teddys wieder {222 } an zu vibrieren und in Bär Paddingtons Armen herumzuhüpfen. Lous Gesicht erschien erneut auf dem Bildschirm, und er musste schnell wegsehen, weil er seinen Anblick nicht ertragen konnte. Jetzt konnte er verstehen, wie Ruth sich ihm gegenüber fühlte.
    »Da ist schon wieder dein Freund«, sagte Ruth und zog sich ein Stück zurück, damit er nach dem Telefon greifen konnte.
    »Nein, lass ihn.« Er ignorierte das Handy und zog Ruth wieder an sich. »Ruth«, sagte er leise und hob mit den Fingern leicht ihr Kinn an, dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. »Es tut mir leid.«
    Erschrocken starrte Ruth ihn an. Offensichtlich war sie sicher, dass seine Entschuldigung einen Haken hatte. Es musste einen Haken geben. Lou Suffern hatte gesagt, dass ihm etwas leidtat. Und das gehörte nicht zu seinem Wortschatz.
    Aus dem Augenwinkel sah Lou das Telefon vibrieren, bis es sich schließlich aus Paddingtons Arm löste und auf Winnie Puhs Kopf landete, von wo es von einem Bären zum nächsten weitergereicht wurde wie eine heiße Kartoffel. Dann war es einen Moment still, fing aber gleich wieder an, Lous Gesicht erschien, lächelte, grinste ihn an, lachte ihn aus und erklärte ihm, dass er ein Schwächling war, weil er diese Worte in den Mund genommen hatte. Aber er kämpfte dagegen an, kämpfte gegen die betrunkene, dumme, kindische, unvernünftige Seite in sich an, weigerte sich, ans Telefon zu gehen, weigerte sich, seine Frau loszulassen. Er schluckte schwer.
    »Ich liebe dich, weißt du.«
    Es war, als würde sie das zum ersten Mal hören. Es war, als hätte man sie beide zurückversetzt unter den {223 } Weihnachtsbaum von Ruths Eltern in Galway, an ihrem allerersten gemeinsamen Weihnachten. Die Katze lag zusammengerollt auf ihrem Lieblingskissen am Feuer, der verrückte Hund, der schon viel zu viele Jahre auf der Welt war, vergnügte sich im Garten hinter dem Haus und bellte alles an, egal ob es sich bewegte oder nicht. Damals hatte Lou ihr gesagt, dass er sie liebte, dort neben dem künstlichen weißen Weihnachtsbaum, über den sich Ruths Eltern noch wenige Stunden zuvor lautstark

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