Zeit deines Lebens
Mutter freut sich, sie mag Champagner, obwohl sie nicht in seiner Nähe aufgewachsen ist.« Er lachte und strengte sich sichtlich an, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen.
Als Lous Mutter hörte, dass von ihr gesprochen wurde, drehte sie sich um und warf Lou einen vernichtenden Blick zu.
»Weißt du«, fuhr sein Vater unterdessen fort, »ich kann heute Abend sowieso nichts trinken, ich geh morgen mit {278 } Quentin in Howth segeln«, verkündete er stolz. »Er fährt bei der Brass-Monkey-Regatta mit, und in seiner Crew fehlt ein Mann, also springt meine Wenigkeit ein.« Er stupste mit dem Daumen gegen seinen Brustkorb.
»Ausgeschlossen, Fred«, protestierte Lous Mutter. »Du kannst an einem windigen Tag nicht mal auf festem Boden aufrecht stehen, geschweige denn auf einem Schiff. Es ist Dezember, da herrscht ordentlicher Wellengang.«
»Ich bin siebzig Jahre alt, ich kann tun und lassen, was mir gefällt.«
»Du bist siebzig Jahre alt, du kannst nicht mehr tun und lassen, was dir gefällt, sonst erlebst du den einundsiebzigsten Geburtstag nicht mehr«, fauchte sie, und die ganze Familie lachte, einschließlich Lou.
»Du musst dir jemand anderes suchen, mein Lieber«, fügte sie hinzu, an Quentin gewandt, der etwas niedergeschlagen aussah.
»Ich mach es«, sagte Alexandra, seine Frau, und nahm ihn in den Arm. Lou musste wegschauen, weil er plötzlich unerträglich eifersüchtig wurde.
»Du hast noch nie eine Regatta gesegelt«, lächelte Quentin. »Kommt nicht in die Tüte.«
»Wann ist das Rennen denn?«, fragte Lou.
Niemand antwortete ihm.
»Hör mal, ich kann das«, verteidigte sich Alexandra, ebenfalls mit einem Lächeln. »Bei einer Regatta macht man doch das Gleiche wie sonst, oder etwa nicht? Ich bring meinen Bikini mit, und der Rest der Crew steuert Erdbeeren und Champagner bei.«
Wieder lachten alle.
»Wann ist das Rennen denn?«, wiederholte Lou seine Frage.
»Na, wenn sie im Bikini erscheint, lass ich sie mitmachen«, neckte Quentin seine Frau.
Erneut Gelächter.
Als hätte er die Frage seines Bruder plötzlich doch gehört, antwortete Quentin, jedoch ohne Lou anzusehen: »Die Regatta beginnt um elf Uhr morgen früh. Vielleicht sollte ich Stephen mal anrufen.« Er holte sein Handy aus der Hosentasche.
»Ich fahr mit«, verkündete Lou, und alle glotzten ihn schockiert an.
»Ich fahr mit«, wiederholte er und lächelte.
»Vielleicht solltest du erst mal Stephen anrufen, Schatz«, schlug Alexandra leise vor.
»Ja«, antwortete Quentin und wandte sich wieder seinem Telefon zu. »Gute Idee. Ich geh nur schnell nach draußen, da ist es ruhiger.« Ohne ein weiteres Wort drängte er sich an Lou vorbei und verließ den Raum.
Der Rest der Familie wandte sich ebenfalls ab, und Lou fühlte sich wie ein Aussätziger, während die anderen von Orten plauderten, an denen er noch nie gewesen war, und von Leuten, die er nicht kannte. Es tat weh, so daneben zu stehen, wenn die anderen über einen Witz lachten, den er nicht verstand, weil es ein Insiderscherz war, den alle kapierten außer ihm, fast, als würden sie eine Geheimsprache sprechen. Schließlich stellte er keine Fragen mehr, denn es antwortete ihm sowieso niemand. Und dann hörte er gar nicht mehr zu und merkte, dass auch das keinen interessierte. Er hatte sich so weit von seiner Familie entfernt, dass ein einziger Abend niemals ausgereicht hätte, sich wieder einen Platz in ihrem Schoß zu verschaffen. Und zurzeit war auch gar keiner frei.
24 Die Seele holt auf
Lous Vater stand neben Lou und sah sich im Raum um wie ein verlorenes Kind, nervös und verlegen, weil all diese Menschen seinetwegen gekommen waren. Wahrscheinlich hegte er im Stillen die Hoffnung, dass sich doch noch jemand melden würde, der heute ebenfalls Geburtstag hatte, damit er nicht mehr allein im Rampenlicht stehen musste.
»Wo ist Ruth?«, fragte er seinen Sohn nach einer Weile.
»Hm.« Lou schaute sich um, konnte seine Frau aber nirgends entdecken. »Sie unterhält sich wahrscheinlich mit den Gästen.«
»Ach so. Hübsche Aussicht hat man von hier oben.« Mit einer Kopfbewegung deutete er zum Fenster. »Die Stadt hat sich ganz schön verändert, seit ich klein war.«
»Ja, ich hab mir gedacht, du würdest das mögen«, sagte Lou und freute sich, dass er anscheinend doch nicht alles falsch gemacht hatte.
»Welches ist denn jetzt eigentlich dein Büro?«, fragte sein Vater und schaute hinüber zu den Bürogebäuden auf der anderen Seite der Liffey, die um
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