Zeit der Dunkelheit (Band 4)
nickte bloß und folgte Eichhornschweif zu den Kriegern. Selbst als sich seine Mutter vorbeugte, um ein verklebtes Fellbüschel hinter seinen Ohren zu lecken, blieb sein Fell glatt am Körper liegen.
Distelpfote traf die Geste mitten ins Herz. Eichhornschweif behandelte sie immer noch wie Junge. Wenn sie das nur wären, hätten sie es viel leichter. Junge brauchten sich keine Sorgen zu machen, ob sie vielleicht mächtiger waren als ihre Kriegerahnen. Aber die Dinge ändern sich. Plötzlich bekam sie Angst und wandte sich ab. Würde es irgendwann so weit kommen, dass sich Eichhornschweif vor ihren Jungen fürchtete?
»Wovon sträubt sich dir denn der Pelz?«, fragte Löwenpfote.
Distelpfote leckte sich die kribbelnde Schulter. »Ist nicht so wichtig.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf das Wäldchen. »Gehen wir jagen.«
Sie trottete zum Rand des Felsens und ließ eine Pfote über die Kante gleiten. Der Hang war zwar steil, aber nur ein kurzes Stück, und das Gras darunter sah nach einer weichen Landung aus. Sie sprang. Unten traf sie auf ein wirbelndes Knäuel aus Fell und Pfoten, das ihr die Luft nahm und sie zur Seite schleuderte. Wer wagt es, mich anzugreifen? Keuchend rappelte sie sich auf die Pfoten und ging in Abwehrstellung.
»Wie kommst du dazu, dich mir den Weg zu verstellen?«
Windpfote!
Der schwarze WindClan-Schüler schüttelte sich. »Ich hatte die Maus schon fast erwischt!«
»Tut mir …«, hob sie an, um sich zu entschuldigen, aber dann wurde sie wütend. Warum passte der blöde Fellball nicht selbst auf, wo er hinlief? »Es hieß doch, wir sollten da drüben jagen!« Sie schnippte mit der Schwanzspitze Richtung Wäldchen.
» Ich entscheide, wo ich jage!«, blaffte Windpfote. Er sah zu Löwenpfote auf, der über die Felskante spähte. »Außerdem habe ich wenigstens gejagt, statt herumzusitzen und mit meinen Clan-Gefährten zu schwatzen.«
»Deine Clan-Gefährten hätten gar keine Lust, mit dir herumzusitzen und zu schwatzen, selbst wenn sie hier wären!«, konterte Distelpfote, worauf sich gleich ihr schlechtes Gewissen meldete. Obwohl Windpfote so übellaunig wie sein Vater und doppelt so eingebildet war, tat er ihr ein bisschen leid. Krähenfeder behandelte seinen Sohn mit so viel Verachtung, dass Windpfote manchmal unter seinen eigenen Clan-Gefährten wie ein Einzelläufer wirkte.
Löwenpfote landete neben ihr. »Hast du dir wehgetan?«
»Natürlich nicht!«, schnaubte Windpfote, bevor Distelpfote antworten konnte. »Allerdings sollte sie jetzt endlich loslegen und jagen, statt mir vor die Nase zu hüpfen. Je eher wir die Frischbeute zusammenkriegen, desto schneller kommen wir nach Hause.«
Es war von Anfang an offensichtlich gewesen, dass Windpfote nicht in die Berge mitkommen wollte. Und Krähenfeder hatte die ganze Zeit auch nie so ausgesehen, als ob er ihn gern mitgenommen hätte. Nie schien er stolz auf Windpfote, wenn der irgendetwas geschafft hatte, ganz anders als Brombeerkralle, der Distelpfote lobte und ihr das Gefühl gab, dass sie die beste Kriegerin des DonnerClans war. Wenn sie den unglücklichen WindClan-Schüler ansah, wurde ihr das Herz schwer vor Mitgefühl. »Wir sind bald wieder zu Hause am See«, miaute sie leise.
Windpfote sah sie wütend an. »Wie kommen wir eigentlich dazu, Frischbeute für die Stammeskatzen fangen? Warum können sie nicht für sich selbst jagen?«
Das Mitgefühl verschwand. Distelpfote fragte sich, ob sie Windpfote daran erinnern sollte, dass die Stammeskatzen erschöpft waren, weil sie gerade erst ein Gefecht hinter sich gebracht hatten, und dass die Beute im Gebirge spärlicher war denn je, weil eine Bande aus räudigen Einzelläufern in ihr Land eingefallen war und sie gezwungen hatte, ihre Jagdgründe einzugrenzen. Aber wenn er das bis jetzt immer noch nicht kapiert hatte, konnte sie sich die Luft sparen. Sollte er es allein herausfinden. Sie wollte jetzt nur noch nach Hause, mit vollem Bauch in ihrem warmen Nest liegen, umringt von ihren friedlich schlafenden Baugefährten. Sie warf einen Blick auf ihren Bruder. Würde er Windpfote die Sache erklären?
Aber Löwenpfote verdrehte bloß die Augen. »Geh Kaninchen jagen!« Er schnaubte und stapfte durch das Gras davon.
Windpfote verzog das Maul. »DonnerClan-Katzen halten sich immer für was Besseres«, erklärte er verächtlich und stolzierte den Abhang hinunter.
Distelpfote eilte hinter ihrem Bruder her. Als sie ihn eingeholt hatte, murmelte er vor sich hin: »Wenn ich bloß die
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