Zeit der Dunkelheit (Band 4)
Gestanks, den die Luft auf ihn zutrug.
»Es sieht leer aus«, murmelte Löwenpfote.
Häherpfotes Herz sank. Wie viel weiter würden sie noch wandern müssen, um Sol zu finden? Er zuckte überrascht zusammen, als neben ihm Distelpfote herumwirbelte, ihr Pelz knisterte.
Hinter ihnen ertönte eine tiefe Stimme.
»Wollt ihr zu mir?«
20. KAPITEL
Erschrocken blickte Distelpfote Sol an, wobei ihr plötzlich bewusst wurde, wie schlimm sie und ihre Wurfgefährten aussahen. Ihre Pelze waren zerzaust, außerdem hatten sich Blatt- und Moosreste darin verfangen und an ihren und Löwenpfotes Pfoten klebte dazu noch Blut. Sol musterte sie, hatte den dreifarbigen Kopf elegant auf die Seite gelegt, die weißen Flecken in seinem Pelz schimmerten rosa in der Abendsonne. Seine Augen leuchteten bernsteinfarben wie sonnenheller Saft.
Würde er ihnen böse sein, weil sie ihm nachgeschlichen waren?
Er sah nicht verärgert aus.
Er sah noch nicht einmal überrascht aus, schloss nur einmal kurz die Augen und neigte den Kopf zum Gruß.
»Ich dachte mir schon, dass ihr kommen würdet.« Sein Miauen klang voll und weich wie reifer Honig. Er sah Häherpfote an. »Ich dachte mir schon, dass dich die Neugier packen würde, nachdem die tiefe Dunkelheit eingetroffen ist.«
Häherpfote tappte zu ihm. »Woher wusstest du, dass sie kommen würde?«
Sols Schnurrhaare zuckten. »Hat sie dir Angst gemacht?«
»Und wie!«
»Obwohl ich euch gesagt hatte, dass sie kommen würde?«
Sein Blick war unverwandt und so intensiv, dass Distelpfote den Wald um sich herum nur noch verschwommen sah und irgendwann außer Sols Augen nichts mehr erkennen konnte.
Sie blinzelte und begann zu zittern. Vermutlich war sie einfach nur müde.
Häherpfote streckte Sol herausfordernd das Kinn entgegen. »Bist du deshalb zum DonnerClan gekommen? Um uns zu warnen?«
Sols Schwanzspitze zuckte. »Es ist nicht meine Aufgabe, jemanden zu warnen.« Er tappte auf den verwilderten Rasen neben dem Kiesweg und trat einen Flecken mit den Pfoten glatt, dann setzte er sich. Sein buschiger, braun-weiß gestreifter Schwanz schwenkte um ihn herum, bis er auf seinen Pfoten ruhte. »Kommt.« Mit einer Kopfbewegung bedeutete er ihnen, sich zu ihm zu setzen. »Wenn wir reden wollen, sollten wir es uns bequem machen.«
Häherpfote tastete sich bis auf die Wiese vor. Distelpfote folgte ihm zögernd. Sol beobachtete sie genau. Das Gras war hoch, aber weich, und so folgte sie Sols Beispiel, glättete sich ebenfalls eine Stelle und setzte sich.
Löwenpfote blieb mit gesträubtem Pelz im Eingang stehen.
»Komm schon«, rief Distelpfote, während sie mit dem Schwanz neben sich tippte.
Ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, tappte Löwenpfote heran und ließ sich neben ihr nieder.
»Dein Bruder scheint mir nicht zu trauen«, stellte Sol fest.
»Du bist keine Clan-Katze«, antwortete Löwenpfote.
Sol blinzelte. »Traust du nur Clan-Katzen?«
»Natürlich nicht!«, fauchte Löwenpfote. »Aber bei denen weiß ich ziemlich genau, was sie denken.«
»Ihr habt euch aufgemacht, um nach mir zu suchen, vergiss das nicht«, mahnte Sol. »Findest du es richtig, mich zu stören, um mir dann vorzuwerfen, dass du meine Gedanken nicht lesen kannst?«
Löwenpfote kniff die Augen zusammen. »Vermutlich nicht.«
Distelpfote merkte, wie Häherpfote neben ihr ungeduldig mit den Pfoten im Gras scharrte.
Sol musste es auch aufgefallen sein. »Du wolltest mich doch etwas fragen, nicht wahr?«
»Kennst du die Prophezeiung?«, platzte Häherpfote heraus.
Distelpfote riss die Augen auf. Keine Katze außer Feuerstern kannte die Prophezeiung – obwohl er weniger darüber wusste als sie. Neben ihr zuckte Löwenpfote mit den Ohren. Warum verriet Häherpfote einem vollkommen Fremden ihr größtes Geheimnis?
Der sie allerdings davor gewarnt hatte, dass die Sonne verschwinden würde.
Sol schnippte mit der Schwanzspitze. »Sie betrifft euch alle drei, nicht wahr?«
Häherpfote nickte. »Drei werden es sein, Blut von deinem Blut. Sie halten die Macht der Sterne in ihren Pfoten.«
»Und diese drei seid ihr«, sagte Sol leise. Er neigte respektvoll den Kopf.
Häherpfote zappelte wie ein aufgeregtes Junges. Distelpfote sah ihn überrascht an. Er glaubte also wirklich, dass diese Katze Antworten wusste, die er nicht einmal vom SternenClan bekommen würde. Oder bekommen konnte . Distelpfote lief ein Schauder über den Rücken. Vielleicht ging die Bedeutung der Prophezeiung tatsächlich weit über alles
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