Zeit der Eisblueten
Straße und hoffte, sie oder sonst jemanden, der in die Stadt fuhr, abfangen zu können. Schon nach ein paar Minuten kroch die Kälte in seinen Körper und lähmte ihn. Es glich einer Verführung. Er war bereit, den eisigen Schlummer zu akzeptieren, die Trance voller Glückseligkeit und Licht …
Dies war genau die Gefahr, die er nie wirklich begriffen hatte. Er fühlte sich schläfrig und wollte sich in den Schnee setzen. Aber als er heftig zu zittern begann, kam er schlagartig zu sich. Er hüpfte auf der Stelle, rieb seine Handschuhe aneinander und wünschte sich sehnlichst, dass er einen Hut mitgenommen hätte.
Ein Auto näherte sich ihm über die lange Auffahrt und hielt an. »Steig ein«, befahl Sheilas Stimme durch einen Fensterspalt. »Du kannst hier nicht herumstehen. Du bist betrunken, und es ist gefährlich. Ich will nicht für deinen Erfrierungstod verantwortlich sein.« Als er zögerte, fügte sie spöttisch hinzu: »Ich würde dich nicht mit der Kneifzange anfassen, ich fahre dich direkt nach Hause.«
Unterwegs schwiegen sie. Sie wirkte eisig nüchtern. Er hatte bemerkt, dass sie keinen Alkohol trank, aber das Kokain musste eine Wirkung auf sie gehabt haben. Jedenfalls war sie eine Frau, die stets wusste, was sie tat, egal, in welche Machenschaften sie gerade verwickelt war. Sie bog in den Wohnwagenpark und bremste vor seiner Veranda.
»Sieh mal!« Sie zeigte in die Höhe und stellte den Motor ab.
Dünne weiße Schleier zogen über den Himmel und zuckten hin und wieder wie Peitschen. Er hatte die Aurora borealis schon mehrere Male gesehen, doch sie hatte ihn stets ein wenig enttäuscht. Sie war nicht so, wie sie in Büchern beschrieben wurde: eine Lichtshow mit unterschiedlichen, wild am Himmel herumzuckenden Farben.
Sheila musterte ihn. Er hielt ihrem Blick einen Moment lang stand. Dann lehnte er sich an die Kopfstütze und schaute hinaus in die Nacht. Die tanzenden Schleier wirkten hypnotisierend. In seinem Kopf drehte sich alles, aber ihm war recht behaglich zumute. Das Auto war wunderbar geheizt, und vom Kassettenplayer erschallten die Dire Straits, wodurch er sich wie zu Hause fühlte.
Er wollte sich für seinen gehässigen Kommentar entschuldigen. Warum denn nicht? Er war unnötig grob gewesen und hatte sie aus Rache für ihre dauernden Angriffe verletzen wollen. Aber obwohl sie schwierig war, konnte man sie nicht als schlecht bezeichnen. Sheila war eine außerordentlich fähige Schwester und fleißig dazu. Sie und er waren einfach völlig verschieden, absolute Gegensätze. Kein Wunder, dass es zwischen ihnen kein Verständnis, keine Einfühlung gab. Aber sie mussten noch ein paar Monate zusammenarbeiten …
Gerade als er darüber nachdachte, ihr ein Friedensangebot zu machen, merkte er, wie sie die Hand nach ihm ausstreckte. Er rührte sich nicht. Er sehnte sich nach ein wenig körperlichem Kontakt … wenn es nur nicht gerade mit ihr wäre. In Windeseile hatte sie sich durch die Kleiderschichten gearbeitet und seinen Reißverschluss fachkundig geöffnet. Ihre Handfläche fühlte sich angenehm und warm um seinen Schwanz an, und er spürte, wie er steif wurde. Sie war nicht dichter an ihn herangerückt. Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich den Bewegungen ihrer Hand zu überlassen. Es war ein mechanisches Erlebnis, fast klinisch.
Er streckte die Hand nach ihr aus und berührte ihren Oberschenkel. Die dünne Nylonstrumpfhose fühlte sich kalt und glatt an, und sie schob sich seiner Hand entgegen, als ob sie ihn drängen wolle, seine Erkundung fortzusetzen.
Das Bild Kerstins tauchte vor ihm auf, des Mädchens, mit dem er einst eine feurige Affäre gehabt hatte. Kerstin hatte ihn masturbiert, und es funktionierte wunderbar. Seine Hand schloss sich über Sheilas und bedeutete ihr, das Tempo zu steigern.
»Warum gehen wir nicht rein«, schlug sie vor. Ihre Stimme war tief und rau.
Dafydd versuchte, diese Möglichkeit zu erwägen, aber seine Gedanken waren immer noch auf Kerstin konzentriert. Jetzt versuchte Sheila, die Hand wegzuziehen, aber er hielt sie energisch fest, und ein paar Sekunden später kam er, spürte die lustvollen Wellen, heftig und deutlich trotz seiner Trunkenheit.
Mit einem verächtlichen Stöhnen riss Sheila die Hand weg und wischte sie an seinem Mantel ab. Sie ließ den Motor an und legte den Gang ein.
Dafydd seufzte und schloss die Augen. Nun hatte er etwas angerichtet! Er wusste, dass es für ihn keine Rettung mehr gab. »Sheila, tut mir leid, ich wollte nicht
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