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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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sie merkte, dass er hinausgehen wollte, machte sie einen Schritt auf ihn zu und drückte ihn gegen den Garderobenständer. »Können wir nicht Freunde sein?«, fragte sie und strich ihm eine Locke aus der Stirn. Die Berührung hatte etwas übertrieben Intimes, und er wollte sofort die stickige Nische verlassen, aber das hätte schwach und ängstlich gewirkt und ihr einen Vorteil verschafft.
    »Sicher«, antwortete er. »Heißt das, dass du aufhörst, dich bei jeder Gelegenheit über mich zu mokieren?«
    Sie fuhr mit den Fingerspitzen an seinen Lippenrändern entlang. »Ach, nun nimm dich doch nicht so verflucht ernst. Kannst du nicht begreifen, dass ich versuche, dir zu helfen? Du bist so verdammt überempfindlich …« Sie ließ die Hand auf seine Krawatte sinken und suchte nach einer passenden Bezeichnung. »… und sensibel. Du bist viel zu gewissenhaft und vorsichtig für einen Ort wie diesen. Obwohl ich natürlich weiß, warum das so ist.« Sie lachte sanft und zog ihn an der Krawatte zu sich. »Schatz, ich durchschaue dein kleines Spiel.«
    Trotz seiner guten Weihnachtsstimmung und seines Alkoholpegels erstarrte er, als habe ihm jemand einen Hieb in den Magen versetzt. Nun stand er der anderen Sheila gegenüber, die er fürchtete und hasste. Während er die Zähne zusammenbiss, überkam ihn ein heftiges Verlangen: Er wollte sie auf all die Mäntel werfen, ihr dünnes, kurzes Kleid zerfetzen und ihre Strumpfhose aufreißen, in sie eindringen, ihr die feindselige Arroganz aus dem Leib nageln und sie um Gnade winseln lassen. Dieser plötzliche, unerklärliche Drang erregte und verwirrte ihn, und er schwankte zwischen dem Impuls, mit ihr zu tun, was er wollte (er vermutete, dass sie es zulassen würde), und dem Bedürfnis hinauszulaufen.
    Er atmete tief ein, riss ihre Hand von seiner Krawatte und ging zur Tür. Aber sie sprang um ihn herum und versperrte ihm den Weg. Die prachtvolle Verführerin vor ihm schien entschlossen zu bekommen, was sie wollte – aus welchem Grund auch immer. Ihr musste klar gewesen sein, dass er sie nicht wollte (oder wollte er sie doch?). Warum also versuchte sie es, warum setzte sie sich einer Zurückweisung aus, obwohl sie doch so viele andere Männer finden konnte – Männer, die alles für sie tun würden …
    Dafydd drehte sich zu ihr hin und sah ihr intensiv in die Augen, um herauszufnden, was hinter jenem geheimnisvollen Blau lag. Sie hatte ihm ihre Freundschaft angeboten, aber er wusste, dass mehr dahintersteckte; also warum glaubte sie, dass sie es bekommen würde, wenn sie ihn in Stücke riss? Herausgefordert durch die wortlose Konfrontation, erwiderte sie seinen Blick. Aber sie verstand ihn völlig falsch.
    »Also gut, zeig’s mir«, sagte sie, und ihr Atem wurde schneller, ihre Lippen öffneten sich. »Zeig mir, dass du kraftvoll sein kannst. Nimm mich. Mein Freund ist weg. Komm heute Nacht mit mir nach Hause. Nur dieses eine Mal.«
    Verdrehterweise und fast bedauernd sah er seine Chance gekommen. »Es würde nicht funktionieren«, erwiderte er lächelnd und zuckte mit einer spöttischen Entschuldigungsgeste die Schultern. »Du erregst mich sexuell einfach nicht.«
    Sheila starrte ihn ungläubig an. »Du bist eine beschissene Schwuchtel, das ist der Grund«, fauchte sie und ging hinaus. Er blieb zurück und atmete eine Mischung aus ihrem Parfüm und dem Geruch feuchter Wolle ein.
    O Mist! Warum hatte er das gesagt? Seine Rache war alles andere als süß. Er war genauso schlimm wie sie. Als er sich eine Sekunde später aufraffen und gehen wollte, hörte er ein leises Klopfen an der Tür. Es war Hogg, der ängstlich an Dafydd vorbei in die Kammer lugte.
    »Verzeihung, ich suche Sheila«, sagte Hogg verlegen. Er hatte nichts mehr von dem selbstgefälligen kleinen Autokraten des Krankenhauses an sich. »Ich dachte, dass sie vielleicht bei Ihnen ist.«
    »Das war sie, aber keine Sorge, sie gehört ganz Ihnen«, antwortete Dafydd ohne jede Vorsicht. »Aber sie wird sauer sein, Andrew. Tun Sie sich selbst einen Gefallen, und lassen Sie sie in Ruhe.« Damit ließ er den gedemütigt auf seine Schuhe blickenden Hogg stehen.
    Zwei Stunden später war Dafydd sturzbetrunken. Er hatte sich nicht betrinken wollen, jedenfalls nicht so stark. Nachdem er seinen Mantel gefunden hatte, torkelte er nach draußen, um nach Martha Ausschau zu halten. Der vereinbarte Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Sie brachte erst einmal andere gestrandete Seelen zurück in Sicherheit. Dafydd wartete an der

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