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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Ihre Mutter, die sie anflehte, aufzustehen und ein bisschen zu essen. Granny Ruby, die beteuerte, dass Lucy schon viel besser aussah mit ihren roten Wangen. Sie hörte sie wie von ferne. Sie war in einen Brunnen gefallen und trieb jetzt auf dem Rücken, starrte zur Sonne hinauf.
    Gesichter waren wie in ihre Augenlider eingebrannt: ihre Mutter, Granny Ruby und die Frau, die immer kam. Die in dem Baum gehangen hatte, die am Fußende ihres Bettes stand oder, wie jetzt, bei ihr auf der Couch saß, so nah, dass Lucys Füße eiskalt wurden.
    Lucy wusste, dass die Frau jetzt eigentlich verschwunden sein müsste. Aber seit sie die Medizin nahm, war die Frau klarer denn je – das bläuliche Gesicht, die Traurigkeit in ihren Augen. Sie machte Lucy nicht mehr so viel Angst. Nein, es war, als wüsste sie Bescheid. Als ob sie das Gefühl kennen würde, vor Menschen zu stehen, die man liebte, und nicht von ihnen wahrgenommen zu werden.

    Rod van Vleet hatte die Polizei verständigt, weil das abgerissene Haus wieder aufgebaut wurde. Über Nacht war der Rohbau des gesamten Erdgeschosses wieder errichtet worden. Van Vleet hatte die Abenaki in Verdacht, und er wollte, dass die Polizei von Comtosook sie auf frischer Tat ertappte.
    Eli sah zu Watson hinüber, der das Seitenfenster seines Wagens mit Hundesabber bedeckte. Sie waren bereits bei den Zelten der Abenaki gewesen. Bis auf Az Thompson hatten alle tief und fest geschlafen. Als er jedoch kurz darauf auf dem Pike-Grundstück hielt, sah er sofort, warum van Vleet beunruhigt war: Innerhalb des provisorischen Sicherheitszauns schien sich das Haus selbst wieder zusammenzusetzen.
    Hinter ihm winselte Watson und wich zurück. »Du Angsthase«, murmelte Eli und stieg über den Zaun. Die Konstruktion war abenteuerlich – Stützpfosten und Dachbalken waren wieder zusammengesetzt, aber es sah nicht ganz richtig aus. Trotzdem konnten sie das Gewicht tragen. Die unteren Mauern waren verputzt und zum Teil schon mit Holz verkleidet. Ein ganzer Bautrupp hätte Wochen dafür gebraucht. Dass es über Nacht geschehen sein sollte, war ein Ding der Unmöglichkeit.
    Vorsichtig stieg Eli über Schutt und Glasscherben, Watson folgte ihm zögerlich. Es gab noch keine Vordertreppe, also musste er zu der offenen Tür hochklettern. Er leuchtete ins Innere. Drinnen fehlten manche Zwischenwände, und die Türrahmen waren schief, aber die Konstruktion war solide. Er roch frische Farbe.
    »Das können die Indianer unmöglich geschafft haben«, sagte Eli leise zu Watson. Langsam ging er durch die Räume, unsicher, ob der brüchige Boden ihn tragen würde. Als er an dem Treppengeländer rüttelte, fiel es um. Die Stufen verrutschten unter seinen Schuhen. Eli bückte sich und sah, dass sie nicht festgenagelt worden waren.
    Im ersten Stock war das Haus noch unfertiger. Eine komplette Wand fehlte, das Dach war der Sternenhimmel. Nur zwei Zimmer wirkten fertig – ein großes Schlafzimmer am Ende des Ganges und das Bad direkt daneben.
    Das Geräusch von fließendem Wasser ließ ihn aufhorchen. Sein Traum von letzter Nacht fiel ihm ein: wieder diese Frau. Diesmal machte sie eine Tür auf. Sie trug einen weißen Bademantel und hatte ein blaues Handtuch ums Haar geschlungen. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, schien all seine Fragen zu beantworten.
    Watson legte sich flach auf den Bauch und winselte. Dann fuhr er herum und raste über die wackeligen Bretter die Treppe hinunter. »Du Held«, murmelte Eli und betrat vorsichtig das Badezimmer. Das Wasserrauschen wurde noch lauter, obwohl er im Schein seiner Taschenlampe weder Armaturen noch Leitungen sehen konnte. Als das Licht grell reflektiert wurde, blinzelte Eli zunächst und trat dann näher an den Spiegel heran, der an der Wand hing. Es war ein Wunder, dass etwas so Zerbrechliches die Abrissbirne überstanden hatte. Die Oberfläche war feucht, doch als er sie mit der Fingerspitze berührte, tat sich gar nichts. Als wäre der Spiegel von innen her beschlagen.
    Eli hielt die Taschenlampe etwas höher, um nachzusehen, wie der Spiegel an der Wand befestigt war, doch plötzlich erkannte er zwei Hände, die innen gegen die Scheibe drückten. Blitzschnell zog Eli seine Pistole – aber worauf zielte er? Die Wand? Den Spiegel? Wie sollte er einen Feind bekämpfen, den er nicht sehen konnte?
    Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren. Die Hände waren noch immer gegen die Rückseite des Spiegels gepresst. Dann malte ein Finger rückwärts, von rechts nach links, Buchstaben

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