Zeit der Gespenster
Augen gesehen, wie ihre Haut durchscheinend wurde. Er hatte das Entsetzen in ihrem Gesicht gesehen, als sie auf den Grabstein hinabblickte und ihren Namen sah. Sie hatte keine Ahnung gehabt, genauso wenig wie Ross. Ross, der sich intensiv mit dem Übersinnlichen beschäftigt hatte, der wusste, dass ein Dämon faulig stank und dass ein Poltergeist seine Energie aus jungen Mädchen zog, hatte nicht gewusst, dass ein Geist einen Kuss erwidern konnte.
Konnte ein Geistwesen auch wegen eines geliebten Menschen zurückkehren, den es noch gar nicht kennengelernt hatte?
Die Pritsche quietschte, als Az sich daraufsetzte. Er faltete die Hände im Schoß und starrte Ross mit brennenden schwarzen Augen an. »Wollen Sie drüber reden?«, fragte Az leise.
Ross schüttelte den Kopf. Er konnte nicht.
Eli saß auf der Couch und wartete, während Shelby Wakeman sich oben anzog. Er saß auf der linken Seite, fürchtete dann aber, wenn sie zurückkam, könnte sie denken, er hätte es sich gemütlich gemacht, mit dem Arm auf der Lehne, also rutschte er in die Mitte und drehte seine Uniformmütze in den Händen, bis Shelby ins Zimmer kam und die ganze Luft wegnahm, einfach so.
»Tut mir leid. Normalerweise gehe ich nicht an die Tür, wenn ich noch nicht präsentabel bin.«
»Präsentabel?«, fragte Eli.
»Richtig angezogen und so weiter.« Shelby lächelte verlegen und setzte sich Eli gegenüber, strich sich das Haar hinter die Ohren. »Und Ross hat wirklich … keinen Ärger?«
»Mit mir jedenfalls nicht«, versicherte Eli ihr.
Eli hätte auch bis zum nächsten Morgen warten können. Doch er war so mit dem Rätsel beschäftigt gewesen, das durch Frankies DNA-Ergebnisse noch verwirrender geworden war, dass er auch um diese Zeit dringend jemanden brauchte, der ihm weiterhalf. Gray Wolfs DNA war nicht an dem Seil gewesen, doch damit schied er als Mordverdächtiger nicht unbedingt aus. Vielleicht war Spencer Pikes DNA an dem Seil, doch damit war er nicht automatisch der Täter. Die Frage blieb, wer hatte Cissy Pike ermordet? Und war sie in jener Nacht das einzige Opfer gewesen?
Eli versuchte, sich das alles in Erinnerung zu rufen – und dass er nicht in dieses Haus gekommen war, weil Shelby Wakeman ihm seit drei Wochen durch den Kopf geisterte. Sie roch nach Äpfeln, genau wie sein Schlafzimmer morgens, wenn er von ihr geträumt hatte. Jetzt sah sie noch schöner aus.
Eli räusperte sich. »Ich, äh, ich halte es für möglich, dass Ihr Bruder nützliche Informationen zu einem Fall hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ross geht kaum aus, und wenn er in letzter Zeit außer Haus war, dann um zu arbeiten.«
»Auf Geisterjagd«, sagte Eli.
»Ja.« Shelby hob den Kopf. »Sie denken bestimmt, er ist ein Spinner.«
Eli wollte schon nicken, aber dann stammelte er: »Ich weiß nicht, was ich denke.«
Shelby wurde es plötzlich heiß, und sie stand abrupt auf, murmelte etwas, was sich anhörte wie xerothermisch , während sie sich abmühte, ein Fenster zu öffnen, das klemmte. »Moment«, sagte Eli und trat neben sie. Ihre Schultern berührten sich. Eli riss das Fenster mit zu viel Wucht nach oben, und ein kühler Luftzug fiel wie eine Guillotine zwischen sie.
»Danke.«
Eli starrte sie an. »Gern geschehen.«
Was immer Eli auch sagen wollte – und in dem Augenblick hätte er wirklich keine Worte finden können –, es ging in einem Hagel von Schritten unter, die die Treppe hinuntergepoltert kamen. »Verzeihung. Ich wusste nicht, dass da oben jemand schläft.«
»Ethan hat nicht geschlafen«, sagte Shelby, als der Junge ins Zimmer kam. Er war klein, mager und trug für die Jahreszeit viel zu viele Kleidungsstücke. Eine Mütze überschattete seine Augen, doch obwohl sein Gesicht halb bedeckt war, konnte Eli sehen, dass die Haut des Jungen milchweiß wie Porzellan war. Eine Hand war bandagiert, und die andere hatte an mehreren Stellen Blasen, als wäre sie in kochendes Wasser getaucht worden. Er hatte das lebhafte Lächeln seiner Mutter.
»Ethan, du kannst nach draußen«, sagte Shelby im Befehlston.
»Aber es regnet …«
»Nicht mehr. Geh. « Sie wartete, bis die Tür ins Schloss fiel und seine Skateboardräder über die Zufahrt ratterten. Dann wandte sie sich Eli zu und verschränkte die Arme, eine ganz andere Frau als die, die er eben noch vor sich gesehen hatte. »Das ist mein Sohn.«
Eli sah, wie ihre Finger sich in die Haut ihrer Arme gruben. Sie stand stocksteif da.
»Sie denken, mit
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