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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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geplante Dinnerparty in der folgenden Woche
    Bettlaken, Kopfkissen, Tagesdecke, Nachthemd – befleckt
    Windeln, Waschschüssel

    Als Ross nach Hause kam, wurde es Tag. Er ging ins Haus, dankte einem Gott, an den er nicht mehr glaubte, dass Shelby anscheinend nicht auf war. Er eilte in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich, kroch vollständig angezogen ins Bett und verzweifelte. Er sehnte sich nach einer Frau, die genauso empfand wie er – als hätte ihr etwas gefehlt, bis sie sich kennenlernten, einer Frau, die bereit war, alles aufzugeben, um ihm von einer Welt in die andere zu folgen, überzeugt, dass jede Sekunde, die sie unglücklich allein gewesen war, nur zu der Begegnung mit ihm geführt hatte.
    Er wollte eine Frau, die es nicht gab.
    Es klopfte an der Tür. Ross ignorierte es.
    »He.« Shelby setzte sich auf die Bettkante, legte eine Hand sachte auf die Stelle der Decke, wo seine Schulter war. »Ich weiß, dass du nicht schläfst.«
    Er zog die Decke ein Stück herunter. »Woher?«
    »Weil du nie schläfst.«
    Er sah zu, wie Shelby den Rand der Decke zu einem Fächer faltete, den sie sofort wieder auseinanderfallenließ. »Was wollte der Polizist von dir?«
    »Nichts.«
    »Er kommt extra den weiten Weg hierher und nimmt dich mit aufs Revier wegen nichts?«
    »Lass mich in Ruhe, Shelby. Wenn du jemanden bemuttern willst, geh zu deinem Sohn.«
    »Mein Sohn weint aber nicht.«
    Ross berührte seine Wangen – verdammt, er hatte es nicht mal gemerkt. »Ich kann jetzt nicht.«
    »Ross, red mit mir …«
    Er drehte sich auf den Rücken, legte den Arm über die Augen. »Shel, hör mal. Ich habe nicht erfahren, dass ich nur noch sechs Wochen zu leben habe, leider. Ich habe auch nichts verbrochen. Ich hatte bloß eine richtig beschissene Nacht, die mich daran erinnert hat, warum es nichts bringt, sich zu verlieben. Also geh wieder in dein Zimmer oder in die Stadtbücherei oder egal wohin und lass mich allein, ja?«
    »Wer ist sie?«, fragte Shelby.
    Ross stützte sich auf einen Ellbogen. »Sie«, sagte er, »ist der Geist einer Frau, die vor siebzig Jahren ermordet wurde.«
    Shelbys Mund klappte auf, und Ross sank wieder aufs Kissen. »Voilà.«
    »Du hast einen Geist gesehen?«
    »Ich hab einen Geist gesehen. Ich hab einen Geist berührt. Ich hab einen Geist geküsst.«
    »Du hast einen Geist ge küsst ?«
    »Ich hab mich so heftig in einen Geist verliebt, dass ich innerlich noch ganz wund bin.«
    »Ross, bitte …«
    »Nicht, Shelby. Sag nichts. Ich weiß hundertprozentig, was da draußen mit mir passiert ist und was nicht.«
    Seine Stimme klang jetzt schrill, seine Augen blickten wild. »Ross«, sagte sie sanft, »es gibt keine Geister.«
    Er sah sie an. »Woher willst du das wissen?«
    Shelby wollte etwas entgegnen, aber dann begriff sie, dass sie dieses Gefühl, das ihn quälte, nur zu gut kannte: Sie hoffte auf das Unmögliche, darauf, dass die Forschung in absehbarer Zukunft vielleicht doch noch ein Mittel gegen XP fand. Plötzlich verstand sie, dass Ross, ob sein Geist nun real war oder nicht, im Augenblick einfach fest daran glauben musste. Und es war wichtig für ihn, dass auch sie daran glaubte.
    Ross presste sich die Handballen gegen die Augen. »Gott, vielleicht bin ich ja tatsächlich verrückt.«
    »Du bist nicht verrückter als alle anderen.« Shelby strich ihm durchs Haar. »Verliebtheit ist bloß ein anderes Wort für nicht klar sehen können. Wenn man einen Menschen liebt – erst dann wird er real.«
    »Sie ist fort«, sagte Ross mit erstickter Stimme. »Sie hat mich verlassen.«
    Shelby beugte sich hinab und gab ihm einen Kuss oben auf den Kopf. »Dann such sie.«

    »Verdammt«, sagte Eli, als er den Krach hörte. Er lief aus dem Badezimmer nach unten, das Gesicht noch halb mit Rasierschaum bedeckt, und stellte Watson unter dem Couchtisch, unter den er sich verkrochen hatte. Ein kurzer Rundblick durchs Wohnzimmer verriet ihm, dass entweder bei ihm eingebrochen worden war oder dass ein schwerer Hund irgendetwas gejagt hatte. Der Fernseher war heruntergefallen, die Sofakissen lagen auf dem Boden verteilt, und ein Stuhl war gegen das Fenster gekippt und hatte die Scheibe zerschlagen. Eli ging vor dem Hund in die Hocke. »Gib sie mir.« Er hielt ihm eine Hand hin, und Watson öffnete verlegen den Mund, um die Maus herausfallen zu lassen.
    Eli warf sie durch das kaputte Fenster nach draußen. »Na prima, Watson.« Der Hund winselte und drückte die Nase in den Teppich. Eli ging seufzend zum

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