Zeit der Heimkehr
für ihn werden.«
»Laß uns mit ihm sprechen«, bat Weegee. »Ich habe Jon- Toms Kräfte in Aktion erlebt.«
Jon-Tom zuckte zusammen, doch es gelang ihm, seine Überraschung zu verbergen. Auch wenn sie die Ausnahme von der Regel sein mochte, blieb Weegee doch immer noch ein Otter. Wenn es sein mußte, konnte sie genauso aalglatt lügen wie Mudge.
»Ich schätze, es kann nicht schaden, wenn ihr ihn euch anseht«, murmelte Amalm. »Vielleicht tut ihm die Gesellschaft ja auch gut. Ich werde es ihm nahelegen wenn er wach ist und etwas erwidern kann. Wir werden sehen, was er sagt.« Sie drehte sich um, um wieder aus dem Zimmer zu schreiten.
»Sage ihm, daß ich nicht nur ein Bannsänger bin, sondern auch ein Bannsänger aus einer anderen Welt. Meine Magie kann, sofern ich überhaupt welche hervorbringe, möglicherweise gegen diese Dämonen wirken, auch wenn die der hiesigen Zauberer es nicht konnte.«
Sie blickte zu ihm zurück. »Ich werde es ihm sagen, aber ich glaube nicht, daß es eine Rolle spielen wird.« Sie verschwand im nächsten Raum.
»Was glaubste, Kumpel, kannste dem vielleicht 'elfen?«
»Ich weiß es nicht, Mudge, aber selbst wenn er mir nicht helfen kann, müssen wir es eben einfach versuchen.«
»Du meinst, du kannst es versuchen.« Weegee musterte die schwach pulsierenden Fenster. »Der Rest von uns kann höchstens zusehen. Ich will nichts mit Dämonen zu tun haben, egal wie klein sie sind.« Sie erschauerte. »Was, wenn sie etwas gegen unsere Einmischung haben und sich dazu entschließen, auch uns heimzusuchen?«
»Das ist eben ein Risiko, das wir eingehen müssen.«
»Is das nich wunderschön, wie er immer ›wir‹ sagt?« Mudge schritt hinüber zu Weegee und stellte sich neben sie. Jon-Tom hatte das Gefühl, als würde das Haus sich um ihn zusammenziehen. Vielleicht war es auch nur ein Zusammenschnüren seiner Kehle. »Immer, wenn er in Schwierigkeiten oder Gefahr gerät, 'eißt es plötzlich ›wir‹ 'ier, ›wir‹ dort.«
»Du kannst ruhig gehen, wenn du willst, Mudge.« Jon-Tom zeigte zurück zur Eingangstür. »Du weißt ja, wo die Tür ist. Ich werde dich nicht aufhalten. Du brauchst einfach nur hinaus zugehen.«
»Führ mich bloß nich in Versuchung, Kumpel! Eines Tages wirst du mich einmal zu oft in Versuchung führen. Du meinst also, ich würde ab'auen, wa? Nee, die Befriedigung gönne ich dir nich, du dürrbeiniger, flachnasiger bleicher Vorwand für 'nen matten Furz.«
Der Otter hätte noch weitergesprochen, doch nun war die Haushälterin zurückgekehrt. »Er ist sehr schwach, aber eure Geschichte fasziniert ihn.« Sie lächelte warmherzig. »Er liebt Musik, müßt ihr wissen, und die Vorstellung, einem Bannsänger zu begegnen, gar einem aus einer anderen Welt, hat genügt, um ihn aus seiner Lethargie zu reißen.« Sie wackelte mütterlich mit einem Finger in Richtung Jon-Tom. »Du hast das doch wohl nicht nur erfunden, um ihn sprechen zu können, oder?«
»Nein, ich bin wirklich Bannsänger und ich komme auch aus einer anderen Welt.« Es ist ja nur, daß ich in der anderen Welt kein Bannsänger bin, murmelte er stumm.
»Dann kommt.« Sie drehte sich um und führte sie in das Nachbarzimmer.
Am anderen Ende des Wohnzimmers befand sich eine Treppe, die in ein weiteres Stockwerk führte. Diesen geräumigen Teil, der eher einem renovierten Dachgeschoß glich, hatte man in ein bequemes Schlafzimmer verwandelt, komplett mit Ankleidetisch, Stühlen, einer Badewanne in Gestalt einer zerquetschten Tuba, sowie einem reichverzierten Bett. Das Kopfteil bestand aus hölzernen und metallenen Flöten, während das Fußteil des Bettes sich aus verschlungenen Holztasten zusammensetzte.
Im Augenblick summte das Bett ein trauriges Wiegenlied. Ab und an gab es einen seltsamen, atonalen Klang von sich, hielt wie verwirrt inne, um schließlich wieder von vorne loszulegen wie ein ältlicher Musiker, der unter der Alzheimer'schen Krankheit litt.
Mitten auf dem Bett lag eine Gestalt, die nicht größer war als Mudge, aber erheblich dünner. Tatsächlich war der ältliche Kinkaju eher mit Vorsicht als mit den Ottern verwandt. Couvier Coulb trug ein schlichtes weißes Nachthemd und eine Nachtmütze mit weißen Bommeln. Seine Nase war viel zu trocken, und seine großen Augen schienen tiefer in ihren Höhlen zu ruhen, als es normal war. Doch immerhin waren sie offen. Er blinzelte sie an, wie man es von einem Nachtwesen ja nicht anders erwarten konnte, das mitten am Tag geweckt worden war. Da es
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