Zeit der Heimkehr
erwidert wurden und daß etwas, das er zuerst für eine typische Bordromanze gehalten hatte, sich in etwas Tiefergehendes, Solides, Beständiges verwandelte. Er war durchaus bereit, einen Reisegefährten an die wahre Liebe zu verlieren. Mudge war ja ohnehin nie sonderlich begeistert davon gewesen, mit dem Bannsänger herumzuziehen. Trotz allen Ärgers, den Mudge ihm in der Vergangenheit bereitet hatte, mochte Jon-Tom den unverbesserlichen Otter doch sehr gern. Vielleicht war Weegee stark und gefestigt genug, um ihn zu einem etwas ruhigeren Lebenswandel zu bewegen. Einen solchen Einfluß hatte Mudge auch nötig, wenn er jemals in die mittleren Jahre kommen wollte. Jon-Tom brauchte den Otter in Weegees Augen auch nicht erst aufzubauen, das schaffte Mudge schon sehr gut ganz allein, und Weegee war vernünftig und klug genug, fünfundneunzig Prozent von alledem, was ihr Liebhaber erzählte, von vorne herein abzustreichen. Die verbleibenden fünf Prozent waren schon bemerkenswert genug -, wenn Mudge das doch bloß eingesehen hätte.
Es war eine Freude zuzusehen, wie ihre Beziehung sich entwickelte, wie Mudge sich von einem verantwortungslosen Verführer in einen besorgten, beschützenden Gefährten verwandelte. Zuzusehen, wie er endlich etwas von einem Trunkenbold zu einem verantwortungsbewußten, aufmerksamen Wesen reifte.
Bis eines Tages alle neuen und alten Hoffnungen mit einem Schlag wieder zunichte gemacht wurden.
Der Alarm kam in der Nacht, als alle Passagiere und der größte Teil der Besatzung schliefen. Nur dem Mut und der Aufmerksamkeit eines Mitglieds der Nachtwache war es zu verdanken, einem tapferen Fingertier mit überproportional kräftiger Stimme, daß überhaupt Alarm geschlagen und die absolute Katastrophe abgewendet wurde.
Beim ersten Schlag der Alarmglocke war Mudge auch schon aus dem Bett, zog sich an und packte seine Waffen. Jon-Tom kämpfte noch immer mit seiner Hose, als zwei schwerbewaffnete Schuppentiere in ihre Kabine kamen. Jeder der beiden war knapp vier Fuß groß und trug ein kurzes Schwert mit Widerhaken. Der eine hatte sich ein blutbeflecktes Tuch um den Kopf gewickelt. Keiner von ihnen sah so aus, als habe er sich zu einem Ball feingemacht.
Nachdem er die Tür eingebrochen hatte, lief der erste Eindringling voll in Mudges Kurzschwert, das ihm die Kehle dicht unterhalb des Kinns und über seinem Panzer durchstieß. Blut spritzte in alle Richtungen, als auch schon der zweite in Mudges Richtung ausholte, dem es irgendwie gelang, zur Seite zu entschlüpfen, als der erste gerade auf ihn stürzte. Der Eindringling war so sehr mit dem Otter beschäftigt, daß er Jon- Tom auf der anderen Seite des Raumes nicht bemerkte. Das Keulenende von Jon-Toms Rammholzstab berichtigte diesen Fehler und blies dem Eindringling die Lebenslichter aus.
»Danke, Kumpel!« Der Otter schob den Körper seines Angreifers beiseite und sprang auf die Beine. Von oben drangen Rufe und ein gelegentlicher Schrei zu ihnen herab. »Auf sie mit Gebrüll!«
Nachdem ein verstohlenes Spähen gezeigt hatte, daß der Gang verlassen war, führte der Otter Jon-Tom zu der Treppe am gegenüberliegenden Ende.
»Beeil dich, Kumpel!«
Jon-Tom versuchte, gleichzeitig zu laufen und seine Hose anzuziehen. »Ich komme ja schon, so schnell ich kann, oder erwartest du von mir, daß ich ohne Hose kämpfe?«
»Warum nich? Is dir der Tod lieber als die Peinlichkeit?«
Nur mit der Hose bekleidet, folgte der barbrüstige, barfüßige Jon-Tom seinem Freund die Treppe hinauf. Als sie an Deck kamen, fanden sie sich inmitten von Dunkelheit, dem Durcheinander und einem Blutbad wieder.
Ein zweites Schiff hatte steuerbord angelegt. Die Ketsch war alt und mitgenommen, offensichtlich aber immer noch seetauglich genug, um es mit dem viel größeren Katamaran aufnehmen zu können. Zudem war sie das Heim einer erstaunlichen Vielfalt von Halsabschneidern und Schlägern, die unentwegt über das Schanzdeck auf den Frachter strömten.
Ihr Plan war so schlicht, wie ihre Absichten offensichtlich waren: warten bis Einbruch der Dunkelheit, dann leise an Bord schlüpfen und Offiziere und Mannschaft in ihren Kojen auslöschen. Danach konnten sie Ladung und Passagiere nach Herzenslust begutachten. Ihr Pech war nur, daß das wachsame Fingertier den Heldentod gestorben war, als es sein Leben hingab, um Alarm zu schlagen. Der Alarm hatte sowohl die Mannschaft als auch die Passagiere geweckt, von denen die meisten mit ein oder zwei Waffen kräftig umzugehen
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