Zeit der Heimkehr
war.
Statt dessen bekamen sie jedoch die Videoaufzeichnung des Royal Ballet, das gerade den Pas de Deux aus der Nußknackersuite vorführte. Hilflos fluchte er vor sich hin.
»Wunderschön.« Kamaulk drehte die Lautstärke auf ein erträgliches Maß hinunter und grinste Jon-Tom an. »Du siehst, wie schnell ich mich an neue Situationen anpassen kann. Aber warum zeigt das Bild nur Menschen?«
»Das bringt mich auf etwas in meiner Welt, was dir nicht gefallen wird.« Als er es gerade erklären wollte, ging plötzlich das Licht aus.
»Keine Bewegung! Niemand!«
Jon-Tom hatte gerade noch Zeit, den Akzent als spanisch zu bestimmen, als plötzlich viele Dinge auf einmal geschahen. Kamaulk stieß einen Fluch aus, Jon-Tom sprang zu seinen Freunden hinüber und schrie ihnen zu, sie sollten sich zu Boden fallen lassen. Sasheem brüllte und sprang los, und plötzlich hallten Donner und Blitz durch das kleine Haus »Großer Reibepfahl Gottes, was war das denn?« wimmerte Weegee.
Jon-Tom brachte sie zum Schweigen. »Ruhe! Was immer du tun magst, nicht ein einziges weiteres Wort, wenn das Licht wieder an ist. Verstanden? Sage nichts, bis ich dir ein Zeichen gebe, egal, was passiert. Mudge, Vorsicht, das gilt auch für euch beide.«
Draußen im Vorraum herrschte Massenpanik, als die verbliebenen Piraten die Außentür förmlich niedertrampelten, um zu fliehen. Vor seinem geistigen Auge stellte Jon-Tom sich vor, wie sie mit aller Gewalt versuchten, den Tunnel zu erreichen, der in ihre eigene Welt zurück führte. Die Luft in der Küche stank nach Schießpulver und Blut. Dann ging das Licht wieder an.
An der Hintertür stand ein dunkler Mann Ende dreißig. Er hatte gelocktes schwarzes Haar und einen dünnen Schnurrbart; einer seiner Finger lag auf dem Lichtschalter. Jon-Tom dachte, daß er der ideale Komparse für Miami Vice gewesen wäre. Die abgesägte Schrotflinte, die auf seinem Unterarm ruhte, war allerdings keine Attrappe.
Genau gegenüber lag Sasheem auf dem Rücken, ein klaffendes Loch in der Brust. Kamaulk war auf einen Küchenschrank geflogen und hockte dort, mit weiten Augen den Körper seines ersten Maats musternd und sich wundernd, wohin seine tapfere Mannschaft geflohen war.
»Madre de dios!« Der Eindringling nahm die Hand vom Lichtschalter und starrte den toten Leoparden an. In der Tür zum Wohnzimmer stand ein weiterer Latino, von seiner Faust baumelte eine große Pistole herab. Er ließ den Blick kurz über den gefleckten Leichnam schweifen, bevor er ihn auf Jon-Tom und seine Freunde richtete.
»Was zum Teufel hier los?« Er musterte seinen Kumpel.
»Komme ich gerade rein durch Vordertür, rennt mich fast dieser verdammte Zoo um.«
»Die große Katze hat mich angesprungen.« Der Akzent des anderen Mannes war nicht ganz so ausgeprägt wie der des Pistoleros. »Was sind das alles für Tiere in Klamotten?«
Mudge wollte schon antworten, schloß aber wieder den Mund, als Jon-Tom hastig den Finger auf die Lippen legte. Der Otter nickte unmerklich, und beide Bewegungen fielen dem bewaffneten Eindringling nicht auf. Denn sie waren zu sehr damit beschäftigt, Sasheem zu mustern.
Der Pistolero murmelte den Namen »Cruz«, worauf dieser ehrenwerte Herr die abgesägte Schrotflinte ungefähr in Jon- Toms Richtung bewegte. »Du da. Erzähl mir, was hier los ist. Wo, zum Teufel, kommen all diese Tiere her?« Er lehnte sich nach links und erblickte Vorsicht, der unter dem Küchentisch kauerte. »Das ist aber der größte verdammte Waschbär, den ich je gesehen habe.«
»Die gehören mir.« Mudge zwickte ihn ins Bein, doch er schnitt nur eine Grimasse und ignorierte ihn. »Sie gehören alle mir. Ich bin Dompteur. Sie sind alle abgerichtet.« Mit einem Nicken wies er auf Sasheem. »Als ihr das Licht angemacht habt, ist der Leopard in Panik geraten. Eigentlich ist er völlig harmlos. Ein großer Verlust für mich.«
»He, Mann, er hat mir aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Das war reine Selbstverteidigung. Gehörst du zu einem Zirkus oder so was? Wir haben draußen gar keine Zelte gesehen.«
»Mehr eine Art privater Reisevorführung. Habe ziemlich viel Pech gehabt. Die Firma hat mich rausgeworfen. Wenigstens durfte ich meine Tiere mitnehmen. Vielleicht könntet ihr mir mal helfen? Was den Leopard angeht, das kann ich verstehen. War eben Pech.«
»Dir helfen?« Cruz grinste auf eine Weise, die Jon-Tom gar nicht gefiel. »Und was ist mit der Maskarade?« Er zeigte auf Sasheems Weste und kurze Hose, auf das
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