Zeit der Heimkehr
taten dies in vollem Bewußtsein darum, daß nur ein wahrer Held mich meines Heims entreißen und mich hinaus in die Welt entführen kann, wo ich ihn schützen und ihm reichen Gewinn einbringen kann.« Nun verblaßten Stimme und Leuchten gleichzeitig, doch noch immer umgab eine matte Aura den Griff der Waffe.
»Pah!« Mudge wich zurück. »Das is alles nur 'ne Verschwendung. Nützt niemandem was.«
»Woher willst du das wissen?« Weegee musterte sie alle nacheinander. »Wir sollten versuchen, es zu entfernen. Vielleicht gibt es unter uns ja einen wahren Helden.«
Das fand Mudge mächtig amüsant, wie sie ihn mit verführerischem Augenaufschlag ansah. »Du als erster, Mudge. Du bist mein wahrer Held, egal was geschieht.« Mudge schwoll vor Wichtigkeit an. »Das wirft natürlich 'n anderes Licht auf die Sache, Liebchen, auch wenn ich glaube, daß ich damit nur meine Zeit vergeude. Soll doch nie jemand be'aupten können, daß ich dem Wunsch von 'ner Dame nich entsprechen würde.« Er trat ein paar Schritte zurück und musterte das Schwert aus jeder erdenklichen Richtung, während seine Gefährten besorgt zusahen. Schließlich sprang er auf den Stuhl, packte den Griff des Schwerts mit beiden Pfoten und riß heftig daran. Seine Barthaare zuckten, und die Anstrengung verzerrte sein Gesicht.
»Kommt es?« fragte Weegee besorgt. Endlich ließ er das Schwert wieder fahren, stieß ein Japsen aus und sackte zusammen. »Was soll kommen? Das Schwert oder mein Leistenbruch?« Er kletterte vom Stuhl. »Ich 'abe dir doch gesagt, daß ich kein 'eld bin, schon gar kein wahrer. Bin ich nie gewesen, werde ich nie sein und strebe ich außerdem auch gar nich an. Werde mich damit begnügen, nur deiner zu sein, Liebchen.« Er blickte nach rechts. »Warum versuchst du es nich mal, Maskengesicht?«
«Wäre zwar eine ziemliche Überraschung, aber warum nicht?« Der Waschbär sprang auf den leeren Stuhl und zog an dem Schwert. Doch strengte er sich dabei nicht an. »Tut mir leid. Habe nicht genug Kraft, um ein Held zu sein.«
Jon-Tom musterte den Stuhl. »Vielleicht würde es mit nackter Gewalt funktionieren. Ich frage mich, ob wir den Stuhl umwerfen und Teyva es mal versuchen lassen sollten.«
»Nicht mit mir«, sagte das fliegende Pferd hinter der Ritze.
»Ich will kein Held sein. Ich will keine Verantwortung. Ich möchte nur fliegen. Und da wir schon dabei sind, könntet ihr euch vielleicht ein bißchen beeilen? Ich fühle mich, als würde ich schon seit Stunden hier herumstehen.« Es waren zwar erst einige wenige Minuten verstrichen, doch der Hengst faulenzte mit Höchstgeschwindigkeit.
»Es wird nicht mehr lange dauern.« Jon-Tom blickte das einzige weibliche Mitglied ihrer kleinen Gruppe an. »Weegee?«
»Was, ich etwa?«
»Na klar, mach schon, Liebchen.« Mudge stupste sie vor.
»Nur weil dieses rotzige Stahlstück 'eld gesagt 'at, 'eißt das ja noch lange nich, daß es nich auch 'ne 'eldin sein kann.«
»Ich wüßte gar nicht, was ich mit einem solchen Schwert tun sollte.« Sie zögerte. »Mit einem Messer fühle ich mich sehr viel wohler.«
»Damit fühlst du dich 'öchstens eleganter«, gluckste Mudge, »aber versuch es trotzdem mal.«
Das tat sie, aber war unfähig, das Schwert auch nur um einen Zoll zu bewegen. Mudge wandte sich seinem großen Freund zu.
»Schätze, jetzt bist du an der Rei'e, Kumpel. Wenn irgend jemand 'ier dazu qualifiziert is, 'n wahrer 'eld zu sein, bist das wohl du. Entweder das, oder 'n Kandidat für die Klapsmühle.«
Jon-Tom mußte zugeben, daß das stimmte. War er nicht im vergangenen Jahr immer wieder in diese Rolle gedrängt worden, und war er nicht jedes Mal unversehrt und erfolgreich daraus hervorgegangen? Vielleicht war das Schwert tatsächlich für ihn bestimmt. Vielleicht hatte irgendeine unsichtbare, unbekannte Kraft es hier in dem Wissen plaziert, daß er es für den Rest seiner Reise brauchen würde. Vielleicht war dies eine schicksalhafte Begegnung.
Also ging er auf den Stuhl zu, legte eine Hand um das Heft des Schwerts, die andere direkt unterhalb des Schutzes, und richtete sich auf, zog mit den Beinen ebenso wie mit Schultern und Armen. Er versuchte es mehrere Male.
Das Schwert rührte sich nicht.
»Warum singste ihm nich was vor, Kumpel?« Mudge lehnte an der gegenüberliegenden Wand. Er hatte einen Gesichtsausdruck, den Jon-Tom nicht deuten konnte und den er auch nicht mochte.
Schließlich mußte er aufhören, und sei es auch nur, um sich zu verschnaufen. »Wenn ich meine
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