Zeit der Heimkehr
seinen Tiefen ertönten keine Worte.
»Wette verloren«, sagte Weegee zu ihm.
»Kannst nie verlieren, wenn du gegen dich selbst wettest, Liebchen.« Er beschnüffelte den klaren Inhalt des Kelchs.
»Riecht wie Regenwasser. Muß von der Decke 'erabgetropft sein. Schade, daß es nichts Kräftigeres is.«
»So trocken, wie meine Kehle plötzlich ist, werde ich nicht wählerisch sein.« Jon-Tom nahm dem Otter den Kelch ab, vergewisserte sich durch einen schnellen Blick, daß wirklich nichts als Wasser von der Decke hineingetropft war, und leerte dankbar den Inhalt.
Er wollte den Kelch gerade wieder auf den Frisiertisch stellen, als die Schale sich mit pulsierendem Rauch füllte.
»Wisset alle, daß ich der Eine Wahre Kelch bin. Wisset alle, die ihr vor mir steht, daß ich sowohl den durstigen Geist laben werde als auch die Kehle.«
»Interessant.« Jon-Tom drehte den leeren Kelch zwischen den Fingern. »Ich frage mich, was das wohl heißen soll, ›den Geist laben‹ ?« Er spähte wieder in seine Tiefen, und ein zweites Mal hörte sie die Stimme.
»Warnung vor den Moquapflanzen.«
Der blaue Rauch verflüchtigte sich. Zurück blieb wieder frisches Trinkwasser.
»Na, wenn das nich's is«, meinte Mudge. »Warnung vor den Moquapflanzen.«
»Was ist denn eine Moqua?«
Der Otter bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis, »'at kleine Glocken, die mit winzigen Insekten gefüllt sind, ungefähr so groß. Können widerlich beißen, die Dinger.« In seiner Stimme klang Verachtung mit. »Dazu brauche ich kein sprechendes Gerät, das mir so was sagt. Aber 'nen Drink kann ich gebrauchen. Gib mal 'er.« Jon-Tom reichte dem Otter den Kelch, und Mudge leerte ihn mit einem Zug. »Das Wasser is ganz gut, auch wenn der Rat etwas zu wünschen übrig läßt.«
Wieder ertönte der Kelch. »Meide den kummervollen Lescar.«
Mudge schnitt eine Grimasse. »Jetzt 'at er mich auf dem linken Fuß erwischt. Weiß einer von euch, was 'n kummervoller Lescar is?« Weegee und Vorsicht schüttelten den Kopf.
»Beeilt euch mal!« Teyva klang ernsthaft ungeduldig.
»Nur noch eine Minute.« Jon-Tom musterte seine Gefährten.
»Es weiß also keiner, was ein kummervoller Lescar ist?«
»Nie ge'ört«, gestand Mudge.
»Na schön, jedenfalls sollten wir ihm wohl aus dem Weg gehen, was immer es sein mag.« Er musterte das Gefäß, spähte über seinen Rand auf die Dame der Gruppe. »Weegee?«
»Merkwürdig, aber plötzlich bin ich durstig geworden.« Sie lächelte ihn an, während sie den Kelch entgegennahm.
»Wenigstens kommen wir noch mit was Nützlichem 'ier 'eraus.« Mudge sah zu, wie sie nippte. »Wenn wir diesen Vetter von 'nem Trinkbecher einschmelzen, gibt das bestimmt 'n Viertelpfund Gold.«
Jon-Tom war schockiert. »Mudge, wie kannst du nur daran denken, etwas so Einzigartiges und Magisches nur wegen seines Geldwertes einschmelzen zu wollen?«
»Weil ich so ziemlich alles nur unter seinem Geldwert se'e, des'alb.«
»Du könntest beispielsweise in der Wüste verdursten, dann würde dich diese unerschöpfliche Wasserquelle am Leben erhalten.«
»Ja, aber ich könnte auch in Polastrindu mal völlig pleite sein, dann könnte ich mich mit dem Gold da für alle Zeiten besaufen.«
»Jon-Tom hat recht«, tadelte Weegee ihn. »Magische Gegenstände schmilzt man nicht ein.« Sie hatte den Kelch geleert. Während er sich zum dritten Mal füllte, hörten sie wieder die Stimme.
»Kaufe IBM bei 124.«
Jon-Tom zuckte zusammen. Konnte es sein, daß der Wirkungsbereich des Kelchs sich auch noch bis in seine eigene Welt erstreckte? Er nahm den Kelch von Weegee entgegen und verstaute ihn vorsichtig in seinem Rucksack.
»Wir werden später entscheiden, was wir damit tun sollen, aber ich glaube, er hat durchaus seinen Nutzwert. Gehen wir jetzt, bevor Teyva noch ohne uns aufbricht.«
Sie krabbelten wieder unter dem eingestürzten Dachbalken hinaus. Teyvas Nüstern blähten sich. »Ich rieche Wasser. Ich könnte etwas zu trinken gebrauchen.«
Jon-Tom seufzte. »Vorsicht, könntest du ihm bitte den Kelch geben?« Der Waschbär folgte seiner Bitte und hielt den Kelch für den Hengst, während dieser trank, dann packte er ihn wieder ein. Als er gerade dabei war, meinte Jon-Tom ihn erneut zu hören.
»Die Lösung des Problems der Staatsverschuldung besteht darin...« doch der Rest wurde von den Gegenständen in seinem Rucksack gedämpft.
Wie gewonnen, so zerronnen, dachte er. Es wäre besser, wenn der Kelch ihnen sagen würde, wie sie nach
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