Zeit der Hingabe
mitten in der Nacht küssen zu lassen“, sagte Miranda kichernd.
„Lach nicht! Das ist eine sehr ernste Sache.“
„Es ist unfassbar! Du lässt dich von einem Verbrecher küssen, der dir heimlich einen gestohlenen Ring an den Finger steckt. Fehlte nur noch, dass er dich bittet, ihn zu heiraten.“
„Sei nicht lächerlich.“ Jane hörte auf, an dem Ring zu ziehen. „Ich heirate Mr Bothwell.“
„Natürlich heiratest du ihn … leider. Aber freust du dich nicht, wenigstens einen Hauch von Abenteuer erlebt zu haben?“
Zerstreut strich Jane sich mit den Fingern über die Lippen, und der kostbare Edelstein funkelte im Kerzenschein. Ihre dunkelbraunen Augen leuchteten verträumt, ihre Lippen waren geschwollen von den leidenschaftlichen Küssen. Miranda verspürte einen Stich der Eifersucht. So war sie nie geküsst worden, hatte nie dieses entrückte, süße Sehnen kennengelernt, das Jane ausstrahlte, als glühe ein inneres Feuer in ihr.
„Es wäre wohl besser gewesen, ich hätte so etwas nie erlebt“, sagte Jane wehmütig.
„Nur gut“, tröstete Miranda sie, „dass niemand etwas davon weiß. Abgesehen von dem Dieb, und der wird kaum ein Wort darüber verlieren. Wenn du erst glücklich verheiratet bist, vergisst du die kleine Episode.“
„Ich dachte, du bist gegen meine Heirat mit Mr Bothwell.“
„Im Grunde genommen, ja. Aber immer noch besser, als mit einem Juwelendieb durchzubrennen“, erklärte sie freimütig. „Und mach dir keine Sorgen wegen des Rings. Ich frage den Earl, was damit geschehen soll.“
„Du willst ihm doch um Himmels willen nicht erzählen, was geschehen ist!“, protestierte Jane angstvoll.
„Nein, natürlich nicht. Ich behaupte, ich hätte ihn gefunden. Aber er ist ein sehr kluger Mann. Er weiß mit Sicherheit eine Lösung, den Ring heimlich zurückzugeben, ohne die Sache an die große Glocke zu hängen.“ Unvermutet schoss ihr der Gedanke in den Sinn, der Earl könne mehr über den Juwelendieb und die Carrimore-Diamanten wissen, als ihr lieb wäre, wies den absurden Verdacht jedoch weit von sich. Immerhin war er ein Peer, wenn auch einer mit denkbar schlechter Reputation.
Jane schaute wehmütig auf den kostbaren Ring. „Das wäre wohl das Beste, nicht wahr?“
„Ja, Liebste.“ Miranda legte ihr tröstend den Arm um die Taille. „Du darfst ihn nicht behalten, so schön er auch sein mag. Nun schläfst du dich aus, und morgen findet sich eine glückliche Lösung.“
Miranda wusste indes, dass Jane eine schlaflose Nacht verbringen würde in sehnsüchtigen Träumereien von ihrem heimlichen Verehrer und seinen verbotenen Zärtlichkeiten. Je eher sie mit dem grässlichen Mr Bothwell verheiratet wäre, desto schneller würde sie dieses Abenteuer vergessen.
Zu dumm, dass dieser Gedanke nicht einmal Miranda zu trösten vermochte.
„Wie bitte? Was hast du getan?“, fragte Lucien de Malheur seinen Gefährten.
„Ich habe eine unbescholtene junge Dame geküsst, die plötzlich auftauchte, als ich im Begriff war, den Schmuck der Duchess einzusacken. Keine Ahnung, wie sie in das Zimmer kam, vermutlich über die Dienstbotenstiege. Plötzlich stand die Kleine vor mir. Was hätte ich denn anderes tun können, als sie zu küssen?“
„Ihr den Hals umdrehen?“, schlug Lucien trocken vor.
„So etwas tue ich nicht. Jedenfalls keiner unschuldigen Frau. Noch dazu einem so scheuen kleinen Ding. Ganz entzückend. Und es hat ihr gefallen, von mir geküsst zu werden.“
„Du hattest Glück, dass sie nicht schrie wie am Spieß.“ Der Earl war sichtlich verärgert. Miranda Rohan schwirrte ihm ständig im Kopf herum, und er war ausgesprochen schlechter Laune. Jacobs dummer Ausrutscher hatte ihm gerade noch gefehlt.
„Keine Bange, dafür habe ich gesorgt“, erklärte Jacob seelenruhig. „Selbst wenn sie um Hilfe gerufen hätte, hätte ich mich mit einem Sprung aus dem Fenster in Sicherheit gebracht, ehe jemand aufgetaucht wäre. Du warst keine Sekunde in Gefahr.“
„Um mich mache ich mir keine Sorgen. Aber du warst entschieden zu waghalsig. Es wäre besser gewesen, du hättest die Sache einem deiner Leute überlassen. Aber nein, du musstest dich und mich in Gefahr bringen.“
Jacob Donnelly tat seine Einwände mit einem Achselzucken ab. „Es ist ja alles gut gegangen. Im Übrigen werde ich die Kleine nicht wiedersehen. Ich weiß ja nicht einmal ihren Namen.“
„Aber ich. Sie heißt Jane Pagett und ist mit einem grässlichen Langweiler namens George Bothwell verlobt.
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