Zeit der Hingabe
Jacob und stapfte durch den Regen zum Stall. Bei ihrer Bemerkung, er rede anders, hatte er schon befürchtet, das sei eine Anspielung auf den Ball bei den Carrimores und den Kuss in der Dunkelheit.
Aber nein, Sie hatte ihn nicht erkannt. Als er den Kutscher abgelöst hatte, waren ihm ein paar Worte im irischen Dialekt herausgerutscht. Er musste besser aufpassen. Als er ihr beim Juwelenraub ins Ohr geflüstert hatte, hatte er ähnlich geredet.
Er hätte sofort gehen müssen, als sie ins Zimmer gekommen war. Aber sie duftete nach Veilchen, und diesem Duft konnte er nicht widerstehen.
Wenigstens hat sie keinen Verdacht geschöpft, dachte er erleichtert. Er hätte auch nicht auf ihre Bemerkung über ihre steifen Glieder eingehen dürfen, zumal das Unschuldslamm offenbar keine Ahnung hatte, wie zweideutig die Worte waren. Er war einfach ein unverbesserlicher, lüsterner Wüstling. In ihrer Nähe noch schlimmer als sonst.
Und sie hatte ihn angelächelt. Zum Teufel! Wenn sie nur nicht so bezaubernd lächeln würde. Es hatte ihn große Mühe gekostet, sie nicht in seine Arme zu ziehen und zu küssen, wovon er die ganze Woche geträumt hatte.
Er stellte sich vor, wie sie im Schaukelstuhl saß, ihre zierlichen Füße in den Seidenpantoffeln auf das Messinggitter gestützt, malte sich aus, wie sie ihre schlanken Beine um seine Hüften schlang. Er würde vor ihr auf die Knie sinken und ihre schmalen Fesseln mit zarten Küssen behauchen …
Aber nein, er war standhaft geblieben, hatte sich höflich verbeugt und war hinaus in den Regen geflohen.
Und das war verdammt gut. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn die Regentropfen auf seiner erhitzten Haut verdampft wären.
Oh nein, er würde sich zu nichts hinreißen lassen. Er würde ihr den Ring vom Finger ziehen, sie wohlbehalten abliefern und dann vergessen, und sie würde ihren rechtschaffenen Verlobten heiraten und ein hochanständiges Leben führen.
Er war nur noch nicht davon überzeugt, ob er das auch schaffen würde.
Es war ein trüber grauer Tag in Pawlfrey House und immer noch keine Spur von Lucien. Nach ihrem aufschlussreichen Rundgang beschloss Miranda, sich in dem kleinen Salon neben der Bibliothek häuslich einzurichten. Die Seidentapeten, ursprünglich zart pastellfarben, waren vom Staub der Jahrzehnte grau und unansehnlich geworden. Zierliches Mobiliar ließ darauf schließen, dass es sich einst um ein Damenboudoir gehandelt hatte. Miranda hielt sich ein Taschentuch vor die Nase, während sie die dicke Staubschicht von Schreibtisch und Stuhl wischte. Dann spitzte sie eine brüchige Feder, fand Tinte, die noch nicht völlig eingetrocknet war, und begann eine Liste zu erstellen.
In manchen Räumen war nur eine gründliche Reinigung nötig. Möglicherweise waren noch einige Vorhänge zu retten, falls sie die Kochwäsche überstanden. Die meisten Kissen und Bettdecken waren von Mäusen und Motten zerfressen, aber in den Wäscheschränken lag genügend Bettzeug, um den Bedarf vorübergehend zu decken.
Andere Zimmer waren in einem wesentlich desolateren Zustand. Schimmel und Feuchtigkeit hatten das Mauerwerk in einigen der hinteren Schlafzimmer befallen. Hier mussten Maurer und Zimmerleute größere Reparaturen vornehmen, Verputz abschlagen und Holzvertäfelungen erneuern. In vielen Räumen, auch in Luciens Schlafgemach, bröckelte der Stuck von den Decken. Im ganzen Haus standen Möbelstücke, die entweder zerhackt oder restauriert werden mussten. Die Fenster mussten geputzt, viele Scheiben erneuert werden. Die Parkettböden mussten geschrubbt, mit Wachs eingelassen und gebohnert werden. Eine kleine Armee von Dienstboten war nötig, um diese Arbeiten zu verrichten; vermutlich mehr Leute, als sie Mrs Humber bereits angewiesen hatte einzustellen. Für die schweren Arbeiten war außerdem ein halbes Dutzend starker Männer nötig.
Der Hausherr erschien nicht zum Lunch, was Miranda keineswegs störte. Sie ließ sich ihr Essen auf einem Tablett bringen und fuhr fort, ihre Listen zu vervollständigen.
In ihrem Zimmer sollten die Arbeiten beginnen. Die uralten, brüchig gewordenen Vorhänge wollte sie nicht behalten. Die Dorfnäherin könnte vielleicht einen passenden Stoff besorgen, um nicht extra Vorhänge in London bestellen zu müssen, deren Lieferung eine Ewigkeit dauern würde. Der Gedanke, ohne Vorhänge schlafen zu müssen, war ihr unbehaglich. Dabei käme sie sich vor, gespenstischen Blicken aus dunklen Augen ausgesetzt zu sein.
Sämtliche Kamine, deren Zahl
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