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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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sie tun immer so supercool und wenn man sie einmal direkt anspricht, stottern sie und werden laut und lachen dann so übertrieben, das ist schon blöd, oder? … Ja, ja, er ist urcool und irgendwie anders, total nett … nein, dem hab ich noch nix gesagt, der ist eh so gereizt.«
    Jessas, die Hormone! So ein Körper ist an allem schuld, sage ich euch. Aber was soll’s, ich preise das Älterwerden.
    »Okay, ich muss jetzt Schluss machen … ja, tschau. He, Cornelius, belauschst du mich oder was?«
    »Was? Nein, wieso? Ich werde ja noch in meinem eigenen Haus herumstehen dürfen.«
    »Das Haus gehört deinen Eltern.«
    »Ja, na und?«
    »Die kommen gleich, Cornelius.«
    »Ich weiß.«
    »Du könntest zumindest die Küche putzen«, sagt sie vorwurfsvoll.
    »Mach ich, Kleine«, sage ich, selbstverständlich ironisch gemeint.
    »Ich helfe dir.«
    »Äh, danke.«
    »Du arbeitest gerade an was, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Du bist nie wirklich da.«
    »Was meinst du?«
    »Du bist schon da, aber du denkst an was anderes.«
    »Ich versuche mich zu konzentrieren, aber das ist schwierig.«
    »Du schreibst an einem Song?«
    »Ja.«
    »Sing ihn mir vor.«
    »Nein, das geht nicht.«
    »Wieso? Sing einfach das, was du bis jetzt hast.«
    »Aber ich hab noch gar nichts, es ist … schwierig, verstehst du?«
    »Nein. Du musst ja wenigstens eine Idee haben.«
    »Ja.«
    »Also?«
    Kinderlogik! Der Himmel ist blau, die Liebe rot, und dass der Weihnachtsmann das Christkind gefressen hat, kümmert sie nicht.
    »Cornelius, bist du verliebt?«
    »Was?«
    »Die Fasching hat heute mit mir geredet.«
    Sind das Kröten, die sich da auf mich stürzen?
    »Ach ja? Was hat sie denn gesagt?«
    »Was glaubst du?«
    »He, ich hab
dich
gefragt.«
    »Sie findet dich nett.«
    Bei dem »nett« zieht sie die Mundwinkel nach unten und macht mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft.
    »Ach ja?«
    »Ja, und sie hat mir von deinem Konzert erzählt, und dass sie auch da sein wird. Darf ich auch hin, Cornelius? Bitte!«
    »Nein, also … ich weiß nicht, ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich –«
    »Cornelius, bist du verliebt in die Fasching?«
    »Nein, Herrgott, ich weiß es nicht. Ich kenne sie ja kaum.«
    »Ich habe einen Freund.«
    »Was?«
    »Ich dachte, wenn du auch verliebt bist, dann verstehst du …«
    »He he, schön langsam. Was heißt das, du hast einen Freund?«
    »Naja, einen Freund halt … ich bin verliebt.«
    »Du bist verliebt«, wiederhole ich schon wieder ihren Text. Wie der reinste Vollidiot! Und dann lache ich auch noch laut und übertrieben. »Ist er aus deiner Klasse?«
    »Nein.«
    »Und wie alt ist er?«
    »He he, ist das ein Verhör?«
    »Ich habe dich was gefragt.«
    »Er ist sechzehn.«
    »Er ist sechzehn«, sage ich.
    Und während ich für ein paar Sekunden einfach so dasitze und nicke, sehe ich Sarah vor mir, die kleine Sarah, wie sie ihre Beine breit macht, ihre Kindereisschleckzunge einem sechzehnjährigen Arschloch in den Mund steckt, wie ihr Bauch anschwillt, sie ein aidskrankes Kind zur Welt bringt, das feuerrote Augen und einen kleinen Stummelschwanz hat und mich hämisch anlacht. »Wir werden ja sehen, wer hier der Idiot ist«, sagt das kleine Viech und kotzt grünen Schleim dazu. Ewige Verdammnis, Tod und Teufel! Ja, ich bin ein Vater! Mich würde interessieren, ob irgendeiner dieser blöden Rucksackbomber Vater gewesen ist!
    »Du bist zwölf«, sage ich, als ob dies ein letztes, niederschmetterndes Argument wäre.
    »Ich werde dreizehn!«, sagt sie.
    »Sarah, hör zu. Was bedeutet das?«
    »Was meinst du?«
    »Du bist verliebt, gut – aber was habt ihr vor?«
    »Spinnst du, Cornelius?«
    »Ich meine, willst du mit ihm …«
    »Cornelius! Das ist peinlich!«, kreischt sie hysterisch.
    Sie hat Recht. Dann läutet die Glocke. Ich versuche in meinem Kopf das Thema zu wechseln.
    Wenn ich ganz ehrlich sein soll – ich glaube, ich sollte meine Eltern wieder hier wohnen lassen. Wien ist zu gefährlich geworden. Kein Ort für zwei Landeier wie sie. Das ist, wie wenn du zwei Kinder nimmst und sie in Erwachsenenkörper steckst – wie in diesem Film
Big
. Nur eben tragisch. Meine Eltern, Grete und Friedrich Fink, sind in Bölling geboren, in St. Pölten zur Schule gegangen und dann in Bölling geblieben. Mein Vater hat in St. Pölten gearbeitet, hat Turbinen gebaut oder so. Er hat mich nie dorthin mitgenommen oder mir davon erzählt und es hat mich auch nie interessiert. Er hat seine Arbeit immer gehasst. Vielleicht hat er

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