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Zeit der Jaeger

Zeit der Jaeger

Titel: Zeit der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randall Bill
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verschwand die durch den Andruck der Beschleunigung simulierte Schwerkraft an Bord der Wellenbrecher, als das riesige Schubtriebwerk verstummte und der Kapitän die Kehrtwendung am Mittelpunkt der Flugstrecke einleitete. Mehrere Minuten vergingen, in denen Sha weiter die Papiere durchsah, die er gelesen hatte. Die vier Warnsignale, die vor der Einleitung des Wendemanövers durch das gesamte Schiff gehallt waren, hatte er ausgeblendet. Dann setzte mit einem weiteren kräftigen Ruck, der die durch die Kabine schwebenden Ausdrucke in alle Ecken des Raumes verteilte, der Antrieb wieder ein, und das Schiff begann den Bremsflug auf das wartende Frachtschiff zu.
    Ein Glück, dass er sich keinen Drink eingeschenkt hatte. Der Gedanke schaffte es kaum, seine Verbitterung zu durchdringen.
    Es musste sein.
    Er sagte sich das immer wieder, ein sonderlicher Trost war es jedoch nicht. Seine Entscheidungen hatten zu viel gekostet. Zu viele Leben. Männer und Frauen, die dem Aimag und dem Khanat noch Jahre hätten gute Dienste leisten können. Menschen, die ihm vertraut hatten, sie zu führen, und nicht, ihr Leben grundlos wegzuwerfen. Er hielt mit ruhiger Hand den Kurs ein, doch im Herzen fragte er sich, ob dieser Kurs wirklich der richtige war.
    Sha hatte nie geplant, so schnell so viele Menschen sterben zu sehen.
    Schon gar nicht von seiner eigenen Hand.
    Doch obKhan Kalasa wurde zu neugierig, und Sha musste verhindern, dass seine Leute Petr in die Hand fielen. Vor allem der Elementar Corin, der verschwunden war. Und sie einfach von Adhafera zu holen, genügte nicht. Sie mussten einem Zugriff dauerhaft entzogen werden. Sha schluckte und erkannte, dass er einen Drink brauchte. Aber erst musste er den Großteil dieser Papiere vernichten, ehe er ihn bestellen konnte.
    Langsam stand er auf und sammelte die Blätter ein. Jeden Bericht betrachtete er, wenn er ihn aufhob, noch einmal. Seit Wochen tue ich nichts anderes mehr, als mich mit endlosen Berichten herumzuschlagen.
    Endlose Berichte vernichten.
    In diesem Augenblick betrat Sterncolonel Coleen Nagasawa ungebeten und ungefragt die Kabine. Sie schloss langsam die Luke. Sha zog, von dieser Frechheit überrascht, eine Augenbraue hoch. Dann sah er die Wut, die in ihren Augen loderte und in krassem Kontrast zu ihrer unbewegten Miene stand, und kannte schon die Antwort.
    Sha griff wortlos unter den Schreibtisch und drückte einen Knopf, der den Rauschgenerator einschaltete. Auch auf seinem eigenen Schiff, in seinem eigenen Aimag, brauchte niemand außerhalb dieser Kabine zu hören, worüber sie jetzt reden würden.
    Er hatte genug potenzielle Problemfälle entfernt. Mehr als genug.
    »Was hast du getan?«, fragte sie leise.
    Er nickte leicht, als er den ruhigen Tonfall ihrer Stimme hörte. Die jahrelange Arbeit war nicht umsonst gewesen. Er hatte sie ausgebildet, ihre Gefühle zu unterdrücken, wenn sie Entscheidungen fällte, und das gelang ihr auch jetzt, ungeachtet des Hasses oder der Verzweiflung, die sie zu verschlingen drohten.
    »Das Nötige.«
    »Das Nötige. Das Nötige.« Ihre Stimme hob sich und brach ab. In ihren fest geballten Fäusten knackte es.
    Sha bückte sich und hob weiter die Ausdrucke auf, die wie riesige trockene Schneeflocken auf dem Kabinenboden lagen. Coleen kannte die meisten seiner Pläne, aber selbst sie wusste nicht alles. Er musste einen Teil dieser Bögen vernichten, bevor sie las, was sie enthielten, und sich zu einer Entscheidung genötigt sah, die sie bedauert hätte.
    »Das Nötige. Aber sie waren Teil unseres Ai-mags.« Der plötzliche Ausdruck der Verwirrung, mit dem ihre Lider sanken und ihre Mundwinkel erschlafften, zupfte an seinen Gefühlen, spiegelte sein eigenes Innenleben wider.
    Er antwortete nicht, sondern sortierte weiter die Ausdrucke. Er versuchte, sie wieder in die Ordnung zu bringen, die er vor dem Wendemanöver so sorgfältig hergestellt hatte. Dann konnte er den Ofen damit füttern.
    Als Sha sich weder wiederholte noch erklärte, trat sie schließlich einen einzigen Schritt auf ihn zu und hob die Hand. Er sollte nie herausfinden, was sie vorhatte, sah sie aber nur stumm an.
    Obwohl er klein und von zierlicher Statur war, verfügte Sha über einen Blick so kalt wie der Weltraum. Einen Blick, der durch jede Abwehr schlug, Seelen knechtete, Selbstbilder gefror. Einen Blick, vor dem es kein Entrinnen gab.
    Er stoppte sie mit diesem Blick.
    Sha wandte sich wieder seinen Papieren zu, sortierte sie zu Ende. Dann erst drehte er sich wieder

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