Zeit der Jaeger
zusammenpresste. Er wollte eine Situation, die ihn ohnehin schon anwiderte, nicht noch mit Lügen verschlimmern. Er war so schon gezwungen, alles in Frage zu stellen, was er mit dem Begriff Clan verband.
Clan Seefuchs wusste, dass die Sitten, Gebräuche und Traditionen der Clans flexibel waren. Richtlinien, die sie beugten und verdrehten, wenn es notwendig wurde, um ihr Ziel zu erreichen. Doch dies hier ging über ein Beugen der Regeln, ein Wenden oder Verdrehen hinaus. Das stank nach einem Bruch.
»Wir haben keine Wahl«, erklärte er schließlich.
»Es gibt immer eine Wahl, frapos? Hast du selbst mir das nicht wieder und wieder erklärt?« Sein scharfer Tonfall verwandelte sich in den eines Schülers, der einen auswendig gelernten Text aufsagte. »Ein Seefuchs-Händler fällt jeden Tag Entscheidungen, und keine davon ist unwichtig oder trivial. Jede getroffene Wahl hat Konsequenzen, die sich zum Wohl oder Übel des Clans auswirken. Die Wahl liegt bei dir.«
Petr zog die Nase hoch, spürte den savashri Schleim im Hals und konzentrierte sich einen Moment darauf, nicht zu würgen. Unterbewusst war ihm klar, dass der Würgereflex ebenso sehr von seiner Entscheidung ausgelöst wurde wie von der Erkältung. Er nickte. »Pos, Jesup. Aber es gibt Situationen, in denen beide Möglichkeiten schaden, und man kann sich nur für das kleinere von zwei Übeln entscheiden.«
»Du klingst wie ein Sphärer.« Eine kurze Pause im Hintergrundlärm des Frachtraums sorgte dafür, dass auch Unbeteiligte diese Worte hörten. Schockierte Gesichter starrten von allen Seiten zu den beiden herüber.
Petrs Wut loderte grell und heiß, füllte seinen Blick mit einem Feuer, das er erst auf Jesup richtete und dann durch den ganzen Frachtraum schwenkte. Das gesamte Personal kehrte eiligst an die Arbeit zurück. Sein Zorn jedoch war zwar gegen Jesup gerichtet, weil der zugelassen hatte, dass ihre Auseinandersetzung zu den niederen Kasten und den übrigen Kriegern überschwappte, in ihm selbst jedoch fand er eine ebenso passende Zielscheibe. Jesups Worte spiegelten Petrs eigene Gedanken genauer wider, als ihm lieb war.
Er trat zwei Schritte auf Jesup zu. Seine schweren Magnetstiefel waren dabei eine ebensolche Last wie die aktuellen Ereignisse, die ihm wie ein Mühlstein um den Hals hingen. »Was würdest du denn tun, Jesup?«
»Angreifen. Jetzt. Das ist das Wesen der Clans.«
»Und was, wenn uns Sha besiegt? Oder wenn wir zwischen seine und die Marik-Stewart-Truppen geraten? Sie würden uns zerquetschen.«
»Dann soll es so sein. Das ist das Wesen der Clans. Diese Heimlichtuerei ...« Er schluckte, leckte sich die Lippen. Seine Blicke zuckten hin und her, suchten nach einem Ziel. »Das ertrage ich nicht.«
»Dann entkommt Sha.«
»Andere werden ihn jagen. Vielleicht versteckt er sich, aber andere werden ihn finden, in den tiefen Strömungen jagen und ihn stellen.«
Petr musste zu ihm durchdringen. Ihn dazu bringen, zu begreifen. Jetzt musste Recht geschehen, nicht später. »Was ist geschehen, als die Bären eine derartige Wahl trafen? Als Clan Geisterbär diejenigen entkommen ließ, die Clan-Vergeltung am meisten verdienten?«
Jesup zuckte zurück und starrte ihn angesichts dieses Vergleichs mit offenem Mund an. Angesichts der Erinnerung an den ungenannten Clan und wie er der völligen Vernichtung entkommen war ... an die Verwüstung, die er angerichtet hatte.
»Würdest du so etwas noch einmal zulassen? Schau dir an, was er vor unserer Nase getan hat. Stell dir vor, wozu er im Verborgenen fähig wäre. Was er unserem Clan antun könnte. Hör mir gut zu, Jesup«, beschwor ihn Petr, versuchte jedem Wort die höllische Energie einer Partikelkanone mit auf den Weg zu geben, sie an den Ängsten und Zweifeln seines Gegenübers vorbeizurammen. »Er wird sich nicht zufrieden geben, bis er den Clan für das Scheitern seiner Träume von der Rebellion vernichtet hat.« Bis er mich vernichtet hat.
Jesup starrte ihn an wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. »Das würde er nicht tun«, stellte er schließlich fest.
Petr riss die Augen auf. »Du verteidigst ihn? Nach allem, was er getan hat!«
»Du hältst es für fehlgeleitet, aber er hat getan, was er als das Beste für den Clan erachtete. Wie es seit Jahrhunderten jeder Seefuchsclanner tut. Er hat Entscheidungen gefällt.«
»Du bist doch der, der immer drauf hinweist, dass sich jeder Kommandeur vor seinen Vorgesetzten zu verantworten hat.«
»Werd nicht vulgär!« Jesup richtete sich auf
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