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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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Tisch, der neben
ihm stand, beinah umgeworfen hätte. Er biss die Zähne zusammen und verließ so leise wie möglich das Zimmer.
    Sergeant Gibson war am Apparat. Er wollte sich eine Einzelheit in einem Fall bestätigen lassen, der gerade erst am Nachmittag abgeschlossen worden war. Rutledge setzte sich auf den hochlehnigen Stuhl in der stickigen kleinen Kammer, in der das Telefon angeschlossen worden war, gab dem Sergeant die gewünschte Information und hängte den Hörer wieder ein. Einen Moment lang blieb er dort sitzen und war derart erleichtert darüber, der Reichweite dieser unwiderstehlichen Stimme im Salon entzogen zu sein, dass er spüren konnte, wie er zum ersten Mal tief Luft holte.
    Es war, als sei ihm eine Gnadenfrist gewährt worden - und er hatte die Absicht, das Beste daraus zu machen.
    Er trat in den Flur hinaus, wandte sich an das Hausmädchen und fragte: »Würden Sie ein Taxi für Miss Rutledge bestellen, wenn sie zum Aufbruch bereit ist? Und ihr sagen, dass ich zum Yard gerufen worden bin?«
    »Aber gewiss doch, Sir.«
    Iris half ihm in seinen Mantel, und er ging und kostete die winterliche Luft aus, die kalt und befreiend war. Er kam sich vor, als sei ihm wie durch ein Wunder eine unsägliche Tortur erspart geblieben. Über den Straßenlaternen schienen die Sterne außerordentlich hell zu leuchten, und der Lärm des abendlichen Stoßverkehrs auf der Straße hinter dem Platz hatte nachgelassen. Nur noch gelegentlich fuhr ein Automobil vorbei.
    Gepriesen sei Gibson! , dachte er, und Hamish schloss sich dieser Meinung mit einem finsteren Grollen an, das direkt hinter Rutledge vibrierend in der Luft zu hängen schien.
    Auf den Stufen vor dem Haus drehte er sich um und blickte zu den Fenstern des Salons auf. Frances würde ihm die Hölle heißmachen, weil er sie im Stich gelassen hatte, aber die Farnums würden sie mit Vergnügen heil nach Hause bringen. Ein Taxi würde nicht nötig sein.

    Er versuchte, sich einzureden, Mrs. Channing besäße keine seltsamen oder exotischen Kräfte. Doch er konnte immer noch ihren Blick auf sich spüren und erinnerte sich deutlich, wie sie dafür gesorgt hatte, dass er nicht in den Kreis aufgenommen wurde. Ihm fröstelte bei dem Gedanken, sie könnte auf irgendeine Weise von seinen Geheimnissen wissen - sie könnte in seine Seele geschaut und Hamishs Schatten entdeckt haben. Und sich geweigert haben, dieses Wissen publik zu machen.
    Aber das war lächerlich.
    Wenn er zu Fuß nach Hause lief, würde der Spaziergang diesen ganzen Unsinn aus seinem Kopf vertreiben.
    Er schlug seinen Mantelkragen gegen die Nachtluft hoch und stieg die letzten Steinstufen zum Bürgersteig hinunter.
    Sein Schuh traf auf etwas, das daraufhin mit einem klirrenden Geräusch über den Gehsteig und in den Rinnstein rollte.
    Seine erste Reaktion war Erstaunen. Dieses Geräusch kannte er gut.
    Er trat an den Randstein und bückte sich, um die Suche systematisch aufzunehmen.
    Licht, das aus den Fenstern hinter ihm drang, fiel auf einen Metallzylinder, der nicht weit von ihm lag. Er hob ihn auf und erkannte den Gegenstand bereits, als er die Finger danach ausstreckte. Eine Patronenhülse vom Kaliber.303 aus einem Maxim-Maschinengewehr. Auf dem Schlachtfeld hatten sie zu Tausenden herumgelegen, ein so gewohnter Anblick wie der Schlamm unter den Füßen.
    Aber was hatte diese Patronenhülse hier zu suchen, auf einer ruhigen Straße in London?
    Er richtete sich schnell wieder auf, und sein Blick glitt über den eingezäunten Garten auf den Platz und suchte dann die Straße nach beiden Richtungen ab.
    Es war niemand zu sehen.
    Hamish sagte: »Die liegt nicht zufällig hier.«
    Ein Gefühl von Unbehagen veranlasste Rutledge, sich umzudrehen
und zur Fassade des Hauses aufzublicken. Er konnte den Salon sehen, die zugezogenen Vorhänge, hinter denen die mit Tüchern verhängten Lampen nur einen schwachen Schein warfen. Die leise, fast hypnotische Stimme der Frau, die dort eine Séance abhielt, schien in seinem Kopf nachzuhallen.
    Die Patronenhülse hatte noch nicht dort gelegen, als er bei den Brownings eingetroffen war. Sonst wäre sie schon in Bewegung geraten, als Frances und er die Stufen hinaufgestiegen waren. Und nachdem man sie ins Haus eingelassen hatte, waren keine weiteren Gäste mehr gekommen.
    Als er die Hülse in seinen Fingern drehte, konnte er durch die Handschuhe hindurch spüren, dass sie sich nicht glatt anfühlte. Sie war mit unregelmäßigen Rillen versehen, als sei etwas in das Metall

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