Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Versicherung einfallen lassen. Dazu die Abgaben. Die Haus- und Grundsteuer, die Schulumlage, die Strom- und Abwassergebühren, die Kosten für Untersuchung und Bewertung durch die Baubehörde. Eine Rechnung von der Müllabfuhr war eingegangen. Und ein Wisch von wegen einer demnächst fälligen Propangaslieferung. Er bewahrte die ganze diesbezügliche Post in einer Schublade in der Küche auf.
Das Einzige, das er bisher für das Haus gekauft hatte, war ein goldener Filtereinsatz für Leons alte Kaffeemaschine. Seiner Ansicht nach war das besser, als ständig in den Laden zu rennen und sich Papiertüten zu kaufen. An diesem Morgen um zehn nach vier füllte er ihn mit frischem Kaffee aus der Dose, goss Wasser auf und setzte die Maschine
in Gang. Spülte eine Tasse aus und stellte sie auf die Anrichte in der Küche. Setzte sich auf einen Hocker, stützte die Ellbogen auf und sah zu, wie die dunkle Brühe in die Kanne rann. Es war ein altes Gerät, das kaum noch Leistung brachte und vermutlich ein wenig verkalkt war. Es dauerte im Allgemeinen gut fünf Minuten, bis der Kaffee fertig war. Etwa um die vierte Minute herum hörte er ein Auto auf der Straße, das langsamer wurde. Er hörte das leise Rauschen auf der feuchten Fahrbahn, dann das Knirschen der Reifen auf seiner asphaltierten Auffahrt. Jodie hat ’ s in der Kanzlei nicht mehr ausgehalten , dachte er. Die Freude währte etwa anderthalb Sekunden, bis der Wagen um die Kurve kam und der Schein des roten Blinklichts übers Küchenfenster huschte. Von links nach rechts zuckte es durch die Dunkelheit und den Nebel, der vom Fluss aufstieg, dann erlosch es, und auch der Motor wurde abgestellt. Die Türen öffneten sich, Füße scharrten über den Boden. Zwei Mann. Die Türen wurden zugeknallt. Er stand auf und schaltete das Licht in der Küche aus. Schaute aus dem Fenster und sah zwei undeutliche Gestalten, die durch den Nebel spähten, nach dem Fußweg Ausschau hielten, der zur Haustür führte. Er verzog sich wieder auf seinen Hocker und horchte auf ihre Schritte. Sie hielten inne. Dann klingelte es an der Tür.
Im Flur gab es zwei Lichtschalter. Einer war für die Verandabeleuchtung, aber er wusste nicht genau, welcher. Er versuchte es auf gut Glück, erwischte den Richtigen und sah durch das Guckloch über der Tür, wie draußen das Licht anging. Ein rechts oben unter dem Dach angebrachter Strahler mit dickem, gelb getöntem Glas. Der schmale, schräg herabfallende Lichtbalken erfasste zunächst Nelson Blake und dann Julia Lamarr, die halb in seinem Schatten stand. Blake wirkte müde und abgespannt. Lamarrs Miene war nach wie vor feindselig und verächtlich.
»Sie sind noch auf«, sagte Blake. Eine Feststellung, keine Frage.
Reacher nickte.
»Kommen Sie ruhig rein«, sagte er.
Lamarr schüttelte den Kopf. Das gelbe Licht fiel auf ihre Haare.
»Lieber nicht«, sagte sie.
Blake trat von einem Bein aufs andere. »Können wir irgendwo anders hingehen? Wo man frühstücken kann?«
»Morgens um halb fünf?«, sagte Reacher. »Hier in der Gegend nicht.«
»Können wir im Wagen miteinander reden?«, fragte Lamarr.
»Nein«, sagte Reacher.
Betretenes Schweigen. Lamarr wandte den Blick ab, und Blake trat weiter von einem Fuß auf den anderen.
»Kommen Sie rein«, sagte Reacher noch mal. »Ich habe gerade Kaffee gekocht.«
Er kehrte in die Küche zurück. Zog eine Schranktür auf und holte zwei Tassen heraus. Spülte sie aus. Hörte die Dielen knarren, als Blake eintrat. Kurz drauf leichtere Schritte, offenbar Lamarr.
»Ich hab aber bloß schwarzen!«, rief er ihnen zu. »Im ganzen Haus gibt’s leider weder Milch noch Zucker.«
»Schwarzer tut’s auch«, meinte Blake.
Er stand in der Küchentür, druckste herum, als wäre er unschlüssig, was er tun sollte. Lamarr trat neben ihn und blickte sich mit unverhohlener Neugier in der Küche um.
»Danke, für mich nicht«, sagte sie.
»Trinken Sie einen Kaffee, Julia«, sagte Blake. »Wir haben eine lange Nacht hinter uns.«
Es klang väterlich besorgt, zugleich aber auch wie ein Befehl. Reacher warf ihm einen kurzen, verdutzten Blick zu und goss drei Tassen ein. Er nahm seine, lehnte sich an die Anrichte und wartete.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte Blake.
»Wer war die dritte Frau?«, fragte Reacher.
»Lorraine Stanley. Sergeant bei der Feldzeugmeisterei.«
»Wo?«
»Sie war irgendwo in Utah stationiert und wurde heute Morgen tot aufgefunden. In Kalifornien.«
»Die gleiche Handschrift?«
Blake
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