Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
in den Flur fiel, so dass ihre dünnen Haare wie ein Kranz aus feinem Flaum wirkten und ihr Kopf einmal mehr wie ein Totenschädel aussah. Blake
beugte sich vor und versuchte, Reachers Blick auf sich zu lenken. »Wir wollen damit sagen, dass dieser Typ möglicherweise ein Militärpolizist war oder ist.«
Reacher wandte sich von Lamarr ab und zuckte die Achseln.
»Möglich ist alles«, sagte er
Blake nickte. »Wissen Sie, wir sind uns durchaus darüber im Klaren, dass es Ihnen aufgrund der hohen Meinung, die Sie vom Militär haben, schwer fällt, dies einzusehen.«
»Eigentlich liegt das eher am gesunden Menschenverstand.«
»Inwiefern?« »Weil Sie anscheinend der Meinung sind, dass Freundschaft und Vertrauen bei diesen Morden eine wichtige Rolle spielen. Aber einem MP traut beim Militär niemand über den Weg. Und allzu beliebt sind Militärpolizisten meiner Erfahrung nach auch nicht.«
»Sie haben uns doch gesagt, dass Rita Scimeca sich daran erinnern würde, dass Sie ihr Freund waren.«
»Bei mir ist das was anderes. Ich habe mir Mühe gegeben. Das machen nicht viele.«
Wieder Schweigen. Der Nebel lag wie eine Decke über dem Haus und dämpfte alle Geräusche von draußen. Umso lauter gluckerte das Wasser in den Heizkörpern.
»Hier liegt eine ganz bestimmte Absicht vor«, legte Blake dar. »Wie Julia sagt, stehen wir zu unseren Methoden, und unserer Meinung nach muss es sich um etwas handeln, das mit dem Militär zu tun hat. Die Opfer sind zu gezielt ausgesucht, als dass es ein Zufall sein könnte.«
»Und?«
»Das FBI und das Militär kommen von Haus aus nicht allzu gut miteinander aus.«
»Tja, da staune ich aber. Wer kommt denn mit euch schon aus?«
Blake nickte. Er trug einen teuren Anzug, der offenbar
neu oder kaum getragen war. Er schien sich darin nicht recht wohl zu fühlen, wirkte wie ein alter Turnlehrer, der sich zum zehnjährigen Klassentreffen in feinen Zwirn gehüllt hat.
»Jeder kämpft gegen jeden«, sagte er. »Sie wissen doch, wie das ist mit diesem ständigen Kompetenzgerangel. Haben Sie in Ihrer Dienstzeit auch nur einmal mit einer Zivilbehörde zusammengearbeitet?«
Reacher schwieg.
»Dann wissen Sie doch, wie das ist«, sagte Blake noch mal. »Das Militär kann das FBI nicht ausstehen, das FBI die CIA nicht, keiner ist dem andern grün.«
Schweigen.
»Deshalb brauchen wir einen Mittelsmann«, sagte Blake.
»Einen was?«
»Einen Berater. Jemand, der uns weiterhilft.«
Reacher zuckte die Achseln. »Ich kenne niemand, der das könnte. Dazu bin ich zu lange raus.«
Schweigen. Reacher trank seinen Kaffee aus und stellte die leere Tasse auf den Tisch.
»Sie könnten das tun«, meinte Blake.
»Ich?«
»Ja, Sie. Sie kennen sich doch damit aus, richtig?«
»Nie und nimmer.«
»Warum nicht?«
Reacher schüttelte den Kopf. »Weil ich nicht will.«
»Aber Sie könnten es.«
»Können schon, aber ich will nicht.«
»Wir haben uns Ihre Personalakte angesehen. Sie waren seinerzeit ein verdammt guter Ermittler, beim Militär.«
»Das war einmal.«
»Möglicherweise haben Sie dort noch Freunde, Leute, die Sie von früher kennen. Möglicherweise ist Ihnen der eine oder andere noch einen Gefallen schuldig.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Sie könnten uns helfen.«
»Kann schon sein, aber ich will nicht.«
Er lehnte sich zurück, legte beide Arme auf die Sofalehne und streckte die Beine aus.
»Haben Sie denn gar kein Mitleid mit diesen Frauen?«, fragte Blake. »Oder soll das so weitergehen?«
»Über eine Million Menschen sind beim Militär«, sagte Reacher. »Ich war dreizehn Jahre dabei. Und in diesem Zeitraum haben wie viele Leute gedient? Mindestens doppelt so viel. Das heißt also, dass da draußen etwa zwei Millionen Menschen rumlaufen, die mit mir gedient haben. Angenommen, ein paar davon werden umgebracht, dann ist das die reinste Lotterie. Ich kann mir nicht um jeden Einzelnen Gedanken machen.«
»Sie kannten Callan und Cooke. Sie mochten sie.«
»Ich mochte Callan.«
»Dann helfen Sie uns, ihren Mörder zu fassen.«
»Nein.«
»Bitte.«
»Nein.«
»Ich bitte Sie um Hilfe.«
»Nein.«
»Sie Mistkerl«, sagte Lamarr.
Reacher sah Blake an. »Glauben Sie im Ernst, ich würde mit der zusammenarbeiten wollen? Muss sie mich eigentlich ständig als Mistkerl beschimpfen?«
»Julia, machen Sie uns noch einen Kaffee.«
Sie lief rot an und kniff den Mund zusammen, rappelte sich aber vom Sofa auf und ging in die Küche. Blake beugte sich vor und sprach
Weitere Kostenlose Bücher