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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Strand. Der wiederum kümmerte sich um die Telefonanrufe und Besuche von besorgten Freunden und neugierigen Nachbarn.
    Neuigkeiten verbreiten sich schnell. Schlimme Neuigkeiten noch schneller.
    Einzig Tante Helena schien immun gegen seine Planungen. Onkel Avery erschien nicht.
    »Er wird nicht kommen, Nick«, hatte Daisys Vater gesagt. »Irgendwas mit seiner idiotischen Sammlung. Sonderlich besorgt hat er offen gestanden nicht gewirkt. Redete wirres Zeug von Charakterbildung daher. Unfassbar, der Bursche.«
    »Spinner!«, hatte ihre Mutter hervorgestoßen.
    Tante Helena, die während des Gesprächs danebenstand, war stumm geblieben.
     
    Als Daisy ihrer Mutter den Tränen nahe mitgeteilt hatte, sie müsse unbedingt wieder zu den Tennisstunden, war diese skeptisch gewesen. Aber Daisy hatte ihr versichert, schon ein einziger Tag würde sie zurückwerfen.
    »Es hat schon fast etwas Hysterisches«, hörte sie durch die geschlossene Schlafzimmertür ihre Mutter zu ihrem Vater sagen. »Es macht mir Angst. Ich finde nicht, dass das normal ist. Ich meine, warum will sie da wieder hin, nach allem, was passiert ist?«
    »Sie hat eben einen eisernen Willen«, erwiderte Daisys Vater. »Sie will das Match gewinnen, darum geht es.«
    »Ich halte das nicht für gesund.« Im Schlafzimmer ihrer Eltern begann etwas zu rascheln, so als würde ihre Mutter das Bett machen. Das tat sie immer, wenn sie nervös oder aufgewühlt war.
    »Es wird sie auf andere Gedanken bringen«, sagte ihr Vater. »Wir sollten die Sache nicht aufbauschen. Wir wollen doch nicht, dass ihr ganzer Sommer ruiniert ist, weil irgendein Irrer geglaubt hat, er müsste ein Hausmädchen erdrosseln.«
    »Ganz schön abgebrüht, Hughes Derringer!« Die Stimme ihrer Mutter klang wie Glas. »Wenn du mich fragst, hat das uns allen den Sommer ruiniert. Immerhin hat unsere Tochter ein zerstückeltes Hausmädchen mit eingeschlagenem Schädel gefunden.«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Aber ihr zwei haltet ja immer zusammen, und ich kann sehen, wo ich bleibe. Kaum verwunderlich, dass du ihrer Meinung bist.«
    »Nun fang nicht wieder damit an. Du weißt, dass das nicht stimmt.«
    Das Rascheln wurde lauter.
    »Ich hasse es, wenn du so mit mir sprichst.« Ihre Mutter hatte die Stimme gesenkt; Daisy musste ihr Ohr an die Tür drücken, um noch etwas zu hören. »Als wäre ich einfach nur lästig.«
    »Du bist nicht lästig. Nur manchmal … manchmal verwirrst du mich, Nick.«
    »Ach, werden jetzt die Karten auf den Tisch gelegt?«
    »Wir können es versuchen.«
    »Wenn das so ist, kann ich genau das Gleiche von dir behaupten.«
    Sie hörte ihren Vater seufzen und die Bettfedern knarzen, als ob er tief in die Matratze gesunken wäre.
    »Was soll ich denn sagen?«, fragte er nach einer Weile. »Willst du sie von allem fernhalten?«
    »Ich weiß nicht. Ich will einfach, dass wir uns einig sind«, erklärte ihre Mutter. Und dann: »Es ist dieser Mord. Er macht mir Angst.«
    »Komm mal her.«
    Daisy hatte das Gefühl, dass das Gespräch erst eine Ewigkeit später fortgesetzt wurde.
    »Es ist heiß hier drin.« Ihre Mutter klang atemlos. Wieder knarzten die Bettfedern.
    »Warte. Halt still!«
    »Ich …«
    »Deine Haut …« Die Stimme ihres Vaters wurde immer leiser. »Darf ich? Ich meine, willst du …?«
    »Ja.«
    »Nick, ich …«
    »Nein, schon gut. Sag nichts.« Und ein paar Sekunden später: »Warte, Hughes, wir haben noch keine Entscheidung getroffen. Wegen Daisy, meine ich.«
    »Gut, aber bitte entscheide dich schnell.«
    »Ich denke, es ist in Ordnung.« Ihre Mutter flüsterte beinahe. »Du hast recht, die Sache darf ihr nicht den Sommer verhageln. Und sie nimmt dieses Match so ernst.«
    »Sie ist ein Siegertyp«, sagte ihr Vater.
    Daisy ging mit hochrotem Kopf in ihr Zimmer, legte ihr Tenniskleid auf dem überzähligen Bett aus und strich eine Falte im Kragen glatt.
     
    Sie musste zugeben, dass ihre Mutter in gewisser Hinsicht recht gehabt hatte. Wenn sie den Ball übers Netz donnerte, kehrten manchmal urplötzlich das, was sie gesehen hatte, und der Geruch des halbverfallenen Unterstands zurück; dann drehte sich alles vor ihren Augen, und sie wurde ganz wirr im Kopf, so wie damals, als sie den Sonnenstich hatte und sich im Swimmingpool der Gilchrists übergeben musste.
    Aber am ersten Tag, an dem sie wiederkam, fühlte sie sich wie ein Filmstar. Alle wollten mit ihr über das tote Mädchen sprechen. Sie umringten sie auf der

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