Zeit der Sinnlichkeit
näselnd klang, als wäre kein Platz mehr für sie im Raum.
Es wurde also folgende Entscheidung getroffen: Gleich von diesem Abend an sollten die Tore geschlossen bleiben, und unter der Inschrift »Ich habe dich geprüft im Glutofen des Elends« sollte ein Anschlag angebracht werden, der darauf hinwies, daß während der Zeit der Pest keinerlei Besucher im Whittlesea eingelassen würden. Lebensmittel oder Geld könnten in einem Korb hinterlassen werden; sie würden dann an diejenigen weitergereicht, für die sie bestimmt waren. Über das Wohlergehen eines Insassen oder ähnliches könne man sich brieflich bei den Betreuern erkundigen.
Pearce war sehr unzufrieden mit dieser Entscheidung, und
seine Unruhe löste einen reichlichen Schleimfluß aus seinen wunden Nasenlöchern aus. Mir machte der Beschluß angst. Ich wurde von der Vorstellung heimgesucht, daß alle, die ich je außerhalb des Whittlesea gekannt und geliebt hatte, erkranken und sterben würden und daß wir und unsere hundert gequälten Seelen die letzten Überlebenden von England wären.
So kam der Mai, heiß und still, und das Licht am flachen Horizont fing an zu tanzen.
Seit meiner Ankunft war so wenig Regen gefallen, daß wir gezwungen waren, für das Wässern unseres Gemüsegartens Wasser aus dem Brunnen zu holen, und die Fruchtknötchen an Pearces Birnbäumen sahen verhutzelt aus, wie die Hoden eines alten Mannes.
Die Schlüsselblumenzeit war vorbei, und das Gras in den Gräben war braun und trocken. Pearce sprach davon, daß er für uns duftende Sträußchen zusammenstellen wolle, um uns die Luft zu versüßen und den Pestbazillus zu vertreiben, doch er konnte keine Blumen dafür finden, außer ein paar späten Binsennarzissen.
Edmund, der, wie ich Euch schon erzählt habe, einen heftigen Regenguß liebt, in dem er sich waschen kann, erklärte, daß die Hitze »eine üble Art Wetter sei und nichts als Krankheiten heranreifen lasse«. Er fing an, ständig seinen Hut zu tragen.
Ich dachte an den Winter und an den Schnee in meinem Park und an meine Gedanken über die Russen, doch dies alles schien so weit weg zu sein, daß ich fast nicht mehr glauben konnte, daß es einmal Wirklichkeit gewesen war.
Die Luft war in der Nacht nicht viel kühler als am Tage. Ich konnte nicht gut schlafen und gewöhnte mir an, jede
Nacht mehrmals aufzustehen, manchmal nur, um aus meinem Fenster in Richtung Earls Bride zu blicken und mich dann wieder hinzulegen, manchmal jedoch auch, um mein Nachthemd in eine Kniehose zu stecken, meine Schuhe anzuziehen und leise zum Margaret Fell hinüberzugehen, um zu sehen, ob Katharine schlief.
Ich hatte weiterhin jeden Tag ihre Füße mit schwarzer Seife gerieben und fing an, ein wenig an diese Behandlungsmethode zu glauben. Es war jetzt möglich, daß ich eine Pause einlegte oder ganz aufhörte, und sie schlief noch eine Stunde weiter. Wenn ich sie dann so schlafen sah, fühlte ich mich tief bewegt von meinem Erfolg.
Fand ich sie nun in diesen heißen Nächten wach vor, damit beschäftigt, mit ihrer Jesuspuppe zu sprechen, an ihrer Nachtkleidung zu zerren und ihr Haar zu flechten und wieder aufzumachen, dann setzte ich mich neben ihren Strohsack auf den Boden, sagte ihr, sie solle sich hinlegen, nahm ihre Füße in meinen Schoß und begann, sie zu reiben, ohne Seife, nur mit der flachen Hand. Es dauerte nicht allzu lange, dann sah ich, wie ihr die Augen zufielen und sie von einer Woge gnädigen Schlafs erfaßt wurde.
Eines Nachts schlief ich, da ich wegen meiner Schlaflosigkeit in diesem Mai völlig übermüdet war, auf dem Boden des Margaret Fell beim Reiben von Katharines Füßen ein, und als ich aufwachte, sah ich, daß Katharine ihre Decke über mich gebreitet hatte. Ich wäre vielleicht noch eine Weile neben ihr liegengeblieben, wenn nicht überall um mich herum der frühe Morgenlärm der Frauen, die pissen wollten, eingesetzt hätte, und als ich aufschaute, kauerten sie überall auf ihren Eimern, und der Uringeruch überwältigte mich und trieb mich hinaus in die Morgendämmerung.
Ich besuchte Danseuse, die bei diesem Wetter schwer von Fliegen geplagt wurde, legte meinen Kopf an ihren Hals und dachte daran, wie jetzt der frühe Morgen langsam über der Themse heraufzog, ohne daß ihn Celia sah, die mit dem König in Hampton Court schlief. Ich dachte an Celias Wunsch nach einem Kind und fragte mich, ob der König in ihr noch einen Bastard zeugen würde, während er mit seiner eigenen Königin keinen Erben bekommen
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