Zeit der Sinnlichkeit
hervorragender Spieler, wie ich es gern
wäre, Ambrose«, sagte ich. »Bevor ich hierherkam, hatte ich ein paar Oboestunden bei einem deutschen Lehrer, doch diese mußte ich abbrechen.«
»Nun, hier geht es um einfache Melodien, nicht wahr: eine Polka, eine Tarantella.«
»Ja …«
»Wirst du es tun?«
»Wenn jemand von uns ein Streichinstrument spielen würde: Das gäbe einen besseren und runderen Klang.«
»Sprich mit Daniel. Er spielt die Fiedel. Ihr beide könnt eure Stücke in der Wohnstube einüben.«
Damit ging Ambrose, und ich setzte mich in der Küche, wo die Unterhaltung stattgefunden hatte, auf einen Stuhl und stellte mir vor, wie die Frauen vom Margaret Fell und die Männer vom George Fox in die Sonne herauskamen und Musik hörten, so daß sie sich töricht umsahen, einige von ihnen unsicher, ob die Töne wirklich in der Luft oder nur in ihrem Kopf waren. Bei diesem Gedanken mußte ich lächeln.
Ich nahm aus einer Schale auf dem Tisch ein Radieschen und aß es, und sein leicht herber Geschmack erinnerte mich daran, wie ich Lou-Lou geheilt hatte, und einen Augenblick lang hatte ich bei all meiner Zufriedenheit über die bevorstehende Tanzerei im Whittlesea den sehnlichen Wunsch, den alten, geschäftigen Fluß wiederzusehen.
An diesem Abend ging ich, nachdem ich die mir zugestandene halbe Stunde mit Katharine verbracht hatte (wenn ich bei ihr bin und ihre Füße berühre, ist sie in fünf Minuten besänftigt und beruhigt, so daß sie mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen einschläft), in mein Zimmer, wickelte meine Oboe aus den Worten Platos, setzte ein neues Rohrblatt ins Mundstück ein und fing an, ein paar Tonleitern mit
der richtigen Fingertechnik zu spielen, so, wie es mir Herr Hümmel beigebracht hatte. Als ich mein Instrument wieder in den Händen hielt, stieg ein eigenartiges Glücksgefühl in mir auf. Die Eintönigkeit der Tonleitern machte mir überhaupt nichts aus; ich hatte vielmehr Freude daran und versuchte, sie immer schneller zu spielen, und stellte fest, daß meine ungeschickten Finger dieser Aufgabe ganz gut gewachsen waren.
Dann legte ich eine Pause ein, trocknete das Rohrblatt ab und machte mich an Alle Schwäne schwimmen nun , das ich, obwohl mein Instrument ein wenig verstimmt war und ich das Stimmen nicht allzugut beherrsche, hübscher spielte, wie ich meine, als je im Sommerhaus auf Bidnold. Als ich das Stück beendet hatte, klopfte es an meine Tür. Ich öffnete und sah mich Eleanor gegenüber. »Robert«, sagte sie, »darf ich hereinkommen und dir zuhören? Darf ich eine kleine Weile zuhören?«
»Bitte«, sagte ich, »gern, doch die Weile wird sehr kurz sein, denn dieses kleine Lied ist das einzige Stück, das ich kenne!«
Wie ich schon erwähnt habe, ist Eleanor ein wirklich lieber Mensch. Ich wußte, daß sie über die Begrenztheit meines Repertoires enttäuscht war, aber sie ließ sich nichts anmerken, sondern meinte nur fröhlich: »Nun, dann spiel es eben noch mal!« Sie setzte sich auf mein Bett, den einzigen Platz in meinem Wäscheschrank, wo man sitzen kann, und ich spielte ihr die Schwäne noch einmal vor. Als ich fertig war, wischte sie sich mit ihrer Schürze über die Augen und bezeichnete die Musik als »ganz reizend«.
In dieser Woche nun – der Mittsommertag rückt näher, wir haben noch immer das drückend-heiße Wetter, und ganz Whittlesea wird von Fliegen geplagt – verbringe ich viele Stunden jeden Tag mit Daniel, der, wie ich mir schon gedacht hatte, ein recht guter Fiedelspieler ist. Er hat sich vorgenommen, mir auf meiner Oboe ein paar einfache Begleitungen zu drei oder vier schwungvollen Melodien beizubringen, für die er Noten hat, die so alt wirken und so vergilbt und schmutzig sind, daß man meinen könnte, Sir Walter Raleigh habe sie aus dem Meer gefischt. Eine davon heißt Une Tarantelle de Lyon und wurde von jemandem komponiert, der mit Ch. de B. Fauconnier unterzeichnet, und dieses Stück ist so schnell, daß ich zum einen auf meinem Instrument das Tempo gar nicht mithalten kann und mich zum anderen frage, ob Ch. de B. Fauconnier beim Notenschreiben nicht verrückt geworden ist und sein Leben in einem asile in Lyon beschließen mußte. Als ich über diese Möglichkeit laut nachsinne, schilt mich Daniel freundlich wegen meiner Angewohnheit, »zuviel zu reden«.
Mein Hochzeitstag, der 7. Juni, ist gekommen und wieder vergangen. Wenn ich es jetzt bedenke, dann war es schon merkwürdig, daß ich, als ich meine Purpurkleidung
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