Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
und meine Dreimastbarke anlegte, die Vorstellung hatte, vor einem neuen Anfang zu stehen, der mein Leben noch enger mit dem des Königs verbinden würde; jetzt weiß ich, daß mein Hochzeitstag für mich nur der Anfang eines Jahres großer Einsamkeit, Mühe und Lächerlichkeit war.
    Wenn ich auch entschlossen war, nicht irgendwelchen Erinnerungen an meine Hochzeit nachzuhängen, wachte ich am 7. Juni doch sehr froh auf und mußte daran denken, wie ich das Fest verlassen, mich auf die Wiese von Sir Joshuas
Haus geworfen und geweint hatte, wo mich dann Pearce fand, mit dessen Leben das meine tatsächlich eng verbunden zu sein scheint und ohne den ich mich wirklich sehr allein fühlen würde. Mir kam der Gedanke, Pearce für seine Freundschaft zu danken, jetzt gleich, und ihm zu sagen, daß ich bei allem, was ich tat, darüber nachdächte, wie er die Sache sehen und beurteilen würde. Und daß er daher – wenn ich auch manchmal darüber schimpfe – bei allem, was ich tue, gegenwärtig ist und somit, solange ich lebe (ob hier mit ihm oder anderswo), immer bei mir sein wird, wie Jesus immer bei denen ist, die wirklich glauben. Doch ich rührte mich nicht, lag nur auf meinem schmalen Bett, beobachtete den Sonnenaufgang und dachte an meinen schlafenden Freund mit seiner Suppenkelle im Arm.
    Als ich mich dann mit Une Tarantelle de Lyon und den anderen Tänzen abmühte, dachte ich schon bald nicht mehr an meinen Hochzeitstag. Daniel, der ein weit weniger herablassender Lehrer als Musikmeister Hümmel ist, hat mir in kurzer Zeit sehr viel beigebracht, und ich fühle bei unserem Musizieren wieder etwas von jener unkontrollierbaren Erregung, die mich befiel, als ich jenes wilde, hingekleckste Bild von meinem Park malte. Die Stunden vergehen, und wir hören nicht auf zu spielen und versuchen, immer noch schneller zu spielen. Unsere Proben haben große Fröhlichkeit ins Haus gebracht: Die Freunde drängen sich um uns, klatschen in die Hände, und Edmund kann es nicht lassen herumzuspringen.
    »Musik!« donnert Ambrose einmal nach unserem Dankgebet beim Abendessen. »Warum gab es nicht schon immer Musik im Whittlesea?« Ich schaue am Tisch in die Runde, sehe sie alle nacheinander an, wie sie jetzt zustimmend nic
ken, und frage mich plötzlich, wie es möglich ist, daß diese Quäker, die bei allen Dingen die Einfachheit mögen und den liturgischen Gesang der Hochkirche verachten und verabscheuen, von diesem verrückten Galopp von Ch. de B. Fauconnier so angetan sind, daß ich sicher sein kann, daß Ambrose, Pearce, Edmund, Eleanor und Hannah, wenn wir schließlich unsere Tarantella für die Insassen unserer Heilanstalt anstimmen, das verrückte Treiben anführen werden.
     
    Im Whittlesea treffen sehr selten Briefe ein, da es ein Ort ist, der bewußt vergessen wird. Die Postkutsche geht nur bis Earls Bride, so daß uns Briefe für Whittlesea, wenn einmal welche ankommen, von den Dorfkindern gebracht werden, die dann für jeden einen Penny erhalten.
    Seitdem ich hier bin, habe ich auch nur einen einzigen Brief geschrieben – und zwar an Will Gates, von dem ich annehme, daß er noch auf Bidnold ist. Mit ein paar völlig unzulänglichen Sätzen habe ich ihm für all seine Mühe mit mir gedankt und mich bei ihm für die Wende in meinem Schicksal entschuldigt. Außerdem habe ich ihn gebeten, den bemalten Käfig der indischen Nachtigall zu behalten und sich meiner Zuneigung für immer gewiß zu sein.
    Ich hatte keine Antwort bekommen, auch nicht erwartet. Wörter zu Papier zu bringen, gehört nicht gerade zu Wills Stärke. Jedoch am Tag vor der Tanzerei, als gerade der Freilufthof gekehrt wurde, erschien ein Knirps am Tor und brachte einen Brief für mich. Er war von Will und lautete wie folgt:
     
    »Werter Sir Robert,
    Euer Diener W. Gates ist äußerst dankbar für Eure Freundlichkeiten, die vielen, ihm gegenüber. Er bedauert aufrichtig
Euer Scheiden. Ihr seid in seiner Erinnerung in dem Käfig, den Ihr ihm freundlicherweise überlassen habt. Und werdet für immer darin sein.
    Diese Nachricht hier soll Euch sagen, daß Euer Haus und Land und alles andere an einen französischen Edelmann, Le Viscomte de Confolens, gegangen sind, und das ist ein sehr arroganter, heikler Mann, der lieber seine eigene Perücke und Nase und Schönheitsflecken im Spiegel sieht als irgend etwas Gutes auf Bidnold bemerkt. Dankenswerterweise ist Le V . nicht oft hier zu Besuch. Doch wenn er kommt, bringt er ein Gefolge von Damen mit, alles

Weitere Kostenlose Bücher