Zeit der Sinnlichkeit
für den Schleim in meiner Lunge?«
»Ammoniumsalz.«
»Und einen Balsam?«
»Ja. Wir probieren mehrere aus, lösen sie in kochendem Wasser auf zum Inhalieren.«
»Gut. Dann ist dir alles wieder eingefallen, Robert?«
»Was eingefallen?«
»Das rechte Wissen zur rechten Zeit!«
»Vielleicht.«
»Es konnte natürlich nicht anders sein. Denn wir können niemals wirklich vergessen, was wir einmal gewußt haben, oder ungesehen machen, was wir einmal gesehen haben, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich nicht, John«, sagte ich. »Aber nun tu mir bitte den Gefallen und zieh deine Bundhose aus und dein Nachthemd an.«
Zwei Wochen vergingen, in denen ich den Wunsch hatte, all meine Gedanken und meine ganze Kraft auf die Heilmethoden zu konzentrieren, die ich an Pearce ausprobierte. Doch ich sah mich in diesen Wochen immer wieder den stürmischen Forderungen der Leute im George Fox und Margaret Fell ausgesetzt, die mich jedesmal, wenn ich bei ihnen war, baten, sie nach draußen und wieder tanzen zu lassen, weil, wie sie behaupteten, nur das Tanzen sie heilen könne und ihr Irresein in erster Linie auf das Fehlen von Musik zurückzuführen sei.
Ich wandte mich mit diesem Problem an die anderen Betreuer, doch keiner von ihnen wußte eine Lösung. Wir konnten wohl davon ausgehen, daß die Tarantella auf diejenigen, die an dem Nachmittag herausgelassen worden waren, eine wohltuende Wirkung gehabt hatte; aber es war ebenso sicher, daß die Musik, das Klatschen und Herumschreien in jenen, die angekettet geblieben waren, Gefühle der Wut und Verzweiflung erzeugt hatten, die erst nach vielen Tagen wieder abgeklungen waren.
Es wurden Vorschläge gemacht. Edmund meinte, daß man die Insassen des Whittlesea vielleicht alle aneinanderketten und hinaus bis hinter Earls Bride führen könnte, so daß sie außer Hörweite waren. Hannah schlug vor, ihnen Opiate zu geben, so daß sie in tiefer Betäubung schlafen würden. Wir konnten uns jedoch zu keinem der beiden entschließen, da beide in uns ein Gefühl des Unbehagens auslösten.
So hielten die lautstarken Forderungen nach einem Tanzvergnügen an, zu denen noch eine Forderung anderer Art kam, und zwar von Katharine, die wirklich glaubte, mich zu lieben, und der ich mich nicht mehr nähern konnte, ohne daß sie mich drängte, sie zu berühren. Der Anblick ihrer schwarzen Haare, ihrer kräftigen Beine und vollen Brüste begann meine Gedanken in einem so schrecklichen Maße zu beschäftigen, daß ich selbst dann, wenn ich bei Pearce am Bett saß und für das Inhalieren meiner Balsamzubereitungen ein Tuch über seinen Kopf hielt oder Wickel auf seinen Scheitel legte, dieses Drängen in meinem ganzen Körper spürte, so daß es mir ganz heiß und schlecht wurde und mir die Luft wegblieb. Dann verfluchte ich im stillen den Tag, an dem mich das Mitleid mit ihr ergriffen hatte, und ich verachtete mich, denn ich erkannte, daß die Ursache dafür Worte gewesen waren, die der König einmal zu mir gesagt hatte, so daß ich selbst im Whittlesea – außer seiner Reichweite, wie ich geglaubt hatte – nicht ganz frei von ihm war.
In dieser Zeit wiesen wir einige Besucher ab, da wir noch immer große Angst hatten, der Pest im Whittlesea Einlaß zu gewähren. Unter ihnen war auch Katharines Mutter. Sie hatte für ihre Tochter eine Bienenwabe und grüne Pantoffeln mit einer hübschen Stickerei mitgebracht. Als Ambrose ihr mitteilte, daß sie nicht hereinkommen könne, wurde sie
sehr wütend und behauptete, alle Pfleger von Geistesgestörten und Kranken würden nur so tun, als wären sie mildtätige Menschen, in Wirklichkeit wären sie die größten Betrüger dieser Zeit und hätten nur ein Ziel vor Augen, nämlich sich selbst zu bereichern. Als sie wegging, verfluchte sie Ambrose noch immer so heftig und wild, daß sie selbst den Eindruck einer Wahnsinnigen machte.
Eleanor gab Katharine die Bienenwabe und die grünen Pantoffeln. Als diese erfuhr, daß ihre Mutter wieder weggeschickt worden war, fing sie an zu weinen. Sie sagte zu Eleanor, daß es etwas auf dieser Welt gebe, was sie heilen würde, daß wir aber alle zu blind wären, es zu erkennen.
Der Juli kam, und in diesem Monat gab es drei wichtige Ereignisse.
Das erste war das Eintreffen eines weiteren Briefs von Will Gates, in dem dieser mir mitteilte, daß mein Pferd Danseuse auf Bidnold durch das Parktor hereingetrabt sei, »das linke Hinterbein ein wenig lahmend, ohne Zaumzeug, den Sattel verdreht«. Will bat mich, ihm zu
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