Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
schreiben, damit er wüßte, daß ich noch lebe. »Wenn Ihr noch lebt, Sir«, hieß es in dem Brief, »dann werde ich Euer Pferd weiter versorgen und vor V. de Confolens verstecken, so daß Ihr es wiederhaben könnt. Wenn Ihr aber, wie ich befürchte, tot seid, dann werde ich W. Jossett, Euren Stallburschen, mit ihm zum König schicken, damit Seine Majestät von Eurem traurigen Ende erfährt.«
    Wäre ich nicht so sehr mit Pearces Zustand und Katharines Benehmen beschäftigt gewesen, dann hätte dieser Brief meine Stimmung sehr gehoben, nicht nur, weil er mich zum Lachen brachte, sondern auch, weil mir Danseuses Rückkehr wie ein Wunder erschien, das etwas Gutes bedeuten mußte.
Doch wie die Dinge lagen, schien für die darin enthaltene Kunde nicht genügend Platz in meinem Denken zu sein.
    An einem der Nachmittage, die ich an Pearces Bett wachte, während dieser seinen schnarchenden Krankenschlaf hielt, schrieb ich einen kurzen Dankesbrief an Will, dem ich Geld für Hafer für mein Pferd beifügte. »Ich weiß nicht«, schrieb ich, »wie und ob ich überhaupt je wieder nach Bidnold kommen werde. Sollte ich aber innerhalb eines Jahres nicht kommen, dann gib Danseuse bitte Seiner Majestät, dem König, zurück, und sage ihm, daß ich nicht mehr auf der Welt bin.«
    Das zweite bedeutsame Ereignis waren Anzeichen einer Besserung bei Pearce. Ich muß gestehen, daß ich nicht nur erleichtert war, daß mein Freund den Rückzug vor einer vorzeitigen Begegnung mit dem Tod anzutreten schien, sondern auch erfreut, daß es meine Sirupe und Balsame, mein Bestehen auf Ruhe und einer guten Ernährung waren (ich hatte mir für Pearce eine sehr gute Diät aus pochierten Eiern, gekochtem Fleisch, Chicorée und Malzbrot ausgedacht), durch die er nun wieder gesund zu werden schien. Ich hörte wohl noch ein Pfeifen, wenn ich seine Lunge abhorchte, aber die Balsame und das Ammoniumsalz hatten ihm geholfen, große Mengen Schleim abzuhusten, und die Klettenwickel hatten den feuchten Fleck auf seinem Scheitel in eine nässende Wunde verwandelt, aus der nun viel von den üblen Substanzen heraussickern konnte.
    Nach drei Wochen, in denen er jeden Nachmittag schlief und sich damit abgefunden hatte, daß wir ihm sein Essen brachten, ihn wuschen, sein spärliches Haar kämmten und uns überhaupt um ihn wie um einen Säugling kümmerten, begann er zu protestieren, daß er nun geheilt und bereit sei,
seine »eigentliche Aufgabe, die nicht darin besteht, es mir selbst bequem zu machen, sondern anderen Beistand zu leisten«, wiederaufzunehmen. So ließen wir ihn aufstehen und halfen ihm beim Anlegen seiner Kleider, die trotz der Eier und Malzbrotlaibe immer noch viel zu groß für seinen dünnen Körper waren, und er kam herunter, ging hinaus in die Sonne und bat mich, mit ihm in den Gemüsegarten zu gehen, damit er seine Birnbäume sehen könnte.
    Es ist eine Charaktereigenschaft von Pearce, über die ich Euch, glaube ich, schon berichtet habe, daß er der Meinung ist, der einzige Mensch auf Erden zu sein, der bestimmte Aufgaben erfüllen kann, wozu das Anpflanzen von Obstbäumen en espalier gehört. Daher erwartete er, daß seine Bäume nach seiner dreiwöchigen Abwesenheit tot und vertrocknet sein würden, und als er nun sah, daß sie es trotz der großen Hitze während des letzten Monats nicht waren, nahm er sofort an, daß Gott sie gerettet hatte, kniete im Obstgarten nieder und dankte seinem Schöpfer, während er in Wirklichkeit mir und Edmund hätte danken sollen, die wir viele mühselige Stunden mit dem Wässern der elenden Bäume verbracht hatten, da wir doch wußten, wie zornig und traurig Pearce sein würde, wenn wir sie absterben ließen. Ich war versucht, ihm dies mitzuteilen, unterließ es dann aber. Ich stand da und sah zu, wie er betete, und ich wußte, daß mein Ärger über ihn, wie immer, nicht lange anhalten würde, da er von meiner Zuneigung zu ihm so abgeschwächt wurde wie ein einziger Tropfen Aloe in einem ganzen Krug Met. So kam es, daß ich, statt Pearce Vorwürfe zu machen, ebenfalls mit Gott sprach, der mir hier näher zu sein schien, als Er es je auf Bidnold gewesen war. Ich bat Ihn, meinen alten Freund wieder ganz gesund zu machen, und fügte hinzu: »Ich will
auch daran denken, ihn John zu nennen, o Herr, wenn du daran denkst, ihm etwas Fleisch auf die Knochen zu geben.«
    Und nun also zum dritten Ereignis des Monats Juli, dem schlimmsten seit meiner Ankunft im Whittlesea, das mich jetzt ständig quält; es macht mir

Weitere Kostenlose Bücher