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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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solche Schande, daß ich, wenn die Betreuer davon erführen, von hier weggeschickt würde – trotz meiner langen Freundschaft mit Pearce – und niemals zurückkommen dürfte.
    Es geschah in einer heißen Nacht, die nur ganz kurz zu sein schien, denn es war, als würde es überhaupt nicht dunkel. Der Himmel wurde nur blasser und hellte sich dann wieder auf. Ich wachte kurz nach Mitternacht auf, nachdem ich nur wenige Minuten geschlafen hatte. Ich war voller Unruhe und hatte sehr schlecht geträumt. Ich schwitzte am ganzen Körper und fühlte mich dermaßen unbehaglich, daß ich es keine Minute länger im Bett ausgehalten hätte.
    Ich stand auf und schaute aus dem Fenster, und alles, was mein Auge trotz dieser so hellen Mitternachtsstunde sehen konnte, war die Tür des Margaret Fell, und ich wußte, daß mein Kampf gegen meine Begierde verloren war.
    Ich zog ein dünnes Hemd und eine Kniehose an und verließ leise mein Zimmer, blieb nur noch einmal stehen, um zu lauschen, ob sich einer der Betreuer rührte, doch es war still im Haus, abgesehen von Pearces Schnarchen.
    Kaum war ich draußen in der lauen Nachtluft und fühlte ihre Liebkosung auf meinem Gesicht, verließ mich alle Angst vor dem, was ich vorhatte, so daß ich nicht mit Bangigkeit daranging, wie ich es hätte tun sollen, sondern mit einer unechten Freude, indem ich mir einredete, daß es eine ehrenhafte Sache sei und Frieden und Ruhe bringen würde.
    Ich öffnete die Tür des Margaret Fell, ging hinein und
schloß sie wieder hinter mir. Ich stand so lange still in der Dunkelheit, bis ich die zwei Reihen schlafender Frauen erkennen konnte. Ich blickte dorthin, wo Katharine lag, neben sich ihre Puppe, im Arm ihre grünen, bestickten Pantoffeln, die sie jetzt auch oft an sich drückte und mit denen sie hin und wieder wie mit einem Kind sprach.
    Sie setzte sich auf und sah in meine Richtung. Ich ging nicht zu ihr hin. Ich wartete. Sie legte die Pantoffeln hin, stand auf und kam zu mir herüber. Ich sah, wie die Frau, die neben ihr lag, aufwachte und sie ansah, dann mich, aber ich schenkte dieser anderen Frau überhaupt keine Beachtung.
    Als Katharine nahe bei mir war, griff ich mit der linken Hand nach ihr und öffnete mit der rechten die Tür zum Operationsraum des Margaret Fell, wo ich erst kurz vorher bei einer Autopsie geholfen und eine tote Frau in ein Leichentuch gewickelt hatte.
    Der Raum hat einen Steinfußboden, und darauf kniete ich nun nieder, zog Katharine zu mir herunter und küßte sie erst auf den Mund und dann auf ihre Brüste. Und danach rissen wir uns gegenseitig die Kleider vom Leib, voller Gier und Bereitschaft. Nackt krochen wir ins Dunkel unter dem Operationstisch, wo Katharine sich anscheinend wieder über den Kirchengewölben wähnte, denn sie flüsterte mir zu, daß wir nun endlich im Hause Gottes zusammen seien. Und ich gebe zu, auch wenn Gott mir das nie verzeihen wird, daß mich diese Gotteslästerung erregte. Ich machte in der darauffolgenden Stunde mit Katharine alles, was sie von mir wollte, mehr, als mir selber in den Sinn gekommen wäre. Das war kein schlichter Akt des Vergessens, sondern Liebe der profansten Art.

John wird fast seine
Suppenkelle weggenommen
    M it dieser Nacht begann das, was ich jetzt »meine Zeit des Wahnsinns im Whittlesea« nenne.
    Es hatte eine »Zeit davor« gegeben. In der »Zeit davor« glaube ich, wie ich Euch gezeigt habe, ehrlich und anständig im Umgang mit den Betreuern und Insassen gewesen zu sein. Ich verstellte mich nicht. Ich holte meine der Dunkelheit anheimgegebenen Fähigkeiten wieder hervor und stellte sie in den Dienst der Gemeinschaft. Man hatte mir einen neuen Namen gegeben, und ich hatte mich bemüht, mich dieses Namens würdig zu erweisen. Und wenn der alte Merivel wieder einmal auftauchte und über seine verlorene Vergangenheit seufzte, dann versuchte doch auch er, sich nützlich zu machen, wie an jenem Nachmittag der Tarantella. Es war für alle ersichtlich, daß ich, wie Pearce sich einmal über mein Oboespiel geäußert hatte, »Fortschritte machte«.
    Diese »Fortschritte« konnten nicht anhalten, nachdem ich mit Katharine den Operationsraum des Margaret Fell betreten hatte, denn von diesem Augenblick an wurde ich so süchtig nach meinem schändlichen Tun, daß meine Gedanken, anstatt bei der Arbeit des jeweiligen Tages zu weilen, nur noch mit diesem beschäftigt waren und ich bereitwillig zu den schrecklichsten Täuschungsmanövern griff, nur um wieder dahin zu kommen.
    Als

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