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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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oder Botschaft bekommen, trotz häufiger Besuche von einigen seiner Höflinge, die die Luft in Norfolk und das Krocketspiel mit ihren hübschen Mätressen auf meinem Rasen schätzten. »Keine Sorge«, meinten die Witzbolde vom Hofe, »er wird Euch kommen lassen, wenn ihm nach Furzen zumute ist!« Und sie krümmten sich vor Lachen, die Krocketschläger in der Hand. Ich hatte natürlich in die allgemeine Heiterkeit eingestimmt. Diese Männer liebten mich wegen meiner Bereitwilligkeit, mich lächerlich zu machen. Doch wie Ihr Euch sicher denken könnt, trösteten mich ihre Worte nicht im geringsten.
    Ich verließ mein Studio und ging zu meinem Morgenzimmer, wo ich mich an mein Schreibpult setzte, um einen Brief an den König zu schreiben:
    »Mein huldvoller, gütiger Herrscher«, begann ich, und bei diesen Worten entstand vor meinem Auge ein überwältigendes Bild vom König, wie er im himmlischen Licht dahinschwebte.
     
    »Seid gegrüßt von Eurem treuen Narr Merivel«, fuhr ich fort, »der darum bittet, daß dieser Brief Eure Majestät in ausgezeichneter körperlicher und seelischer Verfassung vorfindet, jedoch – Gott verzeih mir – letztere nachgerade nicht so vorzüglich, daß Ihr Euch nicht ein wenig meine Gesellschaft wünschen würdet, nun da Euch die Erinnerung an meine Possen und nicht gerade schmucke Person kommt. Ich beeile mich, Euch zu versichern, daß Ihr mir, Sir, wenn Ihr
mich zu sehen begehrt, für wie kurze Zeit und in welcher Rolle Eure Laune oder Neigung dies auch wünscht, nur Nachricht zu geben braucht, und die Schnelligkeit meiner Reise nach London wird um nur weniges geringer sein als jene schnellschweifenden Gedanken, die mich in meiner Vermessenheit so oft an die Seite Eurer Majestät bringen.
    Aufrichtigkeit zwingt mich nun, Euch von einem großen Schmerz zu berichten, der mich hier, inmitten meines Luxus und glanzvollen Lebens betroffen hat, nämlich der Tod meines Hundes, Eurer Minette, des kleinen Tieres, das ich in Eurem weiten Königreich am meisten geliebt habe. Ich bitte Euch, allergnädigster Herr, mir zu glauben, daß ich alles in meiner Macht Stehende zu ihrer Errettung getan habe und daß sie nie in ihrem kurzen Leben, und sei es auch nur für einen Tag oder eine Stunde, vernachlässigt wurde von
    ihrem Herrn, Eurem Diener,    
    R. Merivel«
     
    Ich las den Brief noch einmal durch, wobei ich der wahrheitsliebenden Seele in meiner Brust nicht erlaubte, etwas über die Worte des Lügners, der auch in mir wohnt, zu sagen, da mir daran liegt, daß diese beiden zwar auf Abstand bedachte, aber höfliche Nachbarn bleiben. Ich versiegelte den Brief und gab ihn Will Gates mit der Anweisung, ihn auf dem schnellsten Weg nach London zu befördern.
    Das Schreiben hatte mich so erleichtert, daß ich nun nach meiner Kutsche verlangte, um die kurze Strecke zu den Bathursts durch den immer noch strömenden Regen zu fahren. Ich puderte meine Achselhöhlen, zog einen gelben Rock an und tat auch sonst alles, was in meinen Kräften stand, um mich zu einer annehmbaren Person zu machen, für den Fall,
daß ich Violet allein antreffen würde und mich meiner Sorgen an ihrem Samtbusen entledigen konnte. Nun, ich hatte nicht das Glück. Bathursts Erinnerung, die so oft einem Schiff glich, das man längst aufgegeben hatte, war an diesem Morgen kurz, aber schwungvoll an die Oberfläche gekommen, und er hatte in Violet eben die Frau wiedererkannt, die er vor langer Zeit einmal in einem Rausch zerrissener Liebesknoten und gegrabschter Strumpfbänder zu Bett gebracht hatte. Als der Diener mich anmeldete, war er gerade dabei, den Kopf eines Marders und ein paar Dachsfelle von der Wand zu reißen, um diese Trophäen seiner Frau zu Füßen zu legen.
     
    Am darauffolgenden Freitag kam Finn nicht zur Malstunde.
    Es war ein außergewöhnlich schöner Morgen, gleißend in der Herbstsonne, aber ich konnte meine Gedanken nicht von der durchnäßten, triefenden Gestalt mit den weitausgreifenden, aber unbeholfenen Schritten meines Vaters lösen, die ich in den Regen hinausgeschickt hatte. War der arme Mann in der Nässe und Kälte umgekommen? Oder hatten ihn meine klugen Gedanken über die Gepflogenheiten bei Hofe so schockiert, daß er nun nichts mehr von den Edelleuten und ihrer Korruptheit wissen wollte – um vielleicht nur noch Bilder wie das von Meg Storey zu malen, als Gegenleistung für einen Krug Bier oder eine hastige Gefälligkeit auf dem Boden des Vorratsraums?
    Aber der Tag war einfach zu

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