Zeit der Sinnlichkeit
beweist, nicht wahr, daß Gefühl zwar ein starker Antrieb für einen armen, dilettantischen Maler sein mag, aber ohne Technik nur eine impotente und lächerliche Angelegenheit bleibt, vielleicht vergleichbar mit einem Eunuchen in der Liebe, wenn man es bildlich sagen will.«
Ich lachte, doch Finn konnte sich nicht einmal zu einem Lächeln durchringen. Obwohl mein Werk solchen Abscheu bei ihm auslöste, war es mir leicht ums Herz, und es tat mir leid, daß er so düsterer Stimmung war.
»Nun«, sagte ich, »vergessen wir das Bild. Ich werfe es ins Feuer. Möchtet Ihr ein Glas Wein, Finn, damit sich Eure Laune wieder bessert?«
Der arme Kerl nahm dankend an, und wir gingen ins Haus,
wo ich kühlen Weißwein aus dem Keller holen und in mein Morgenzimmer bringen ließ.
Finn schüttete den Wein in sich hinein, als wäre er dem Verdursten nahe. Seine Hände zitterten. Er hatte noch nicht richtig Platz genommen, da sprang er schon wieder auf und erklärte, daß er meinen Rat, wie man in »dieser herzlosen Zeit«, wie er es nannte, weiterkomme, befolgt und deshalb kein Geld und keine Mühe für ein Geschenk für mich gescheut habe, in der Hoffnung, daß ich nun endlich dem König über seine Begabung berichten würde.
»Ausgezeichnet, Finn!« sagte ich. »Ihr lernt schnell! Dasselbe würdet Ihr sicher auch gern von mir und meiner Malerei sagen, wie?«
Ein kleines, nervöses Lächeln lief über seinen Engelsmund. Dann eilte er aus dem Zimmer und kam wenig später mit einem großen, zylindrischen Gegenstand wieder, der von einem schön bestickten Tuch verhüllt war. Vorsichtig legte er ihn mir zu Füßen.
»Was ist das, Finn?« fragte ich. Ich fürchtete plötzlich, er habe mir einen der korinthischen Säulenstümpfe gebracht, die er so verschwenderisch über seine eigenen Bilder verteilte. Er aber antwortete nicht, sondern ließ nur seine Blicke unruhig zwischen mir und diesem Gegenstand hin- und hereilen, so daß er den Eindruck einer ängstlichen Feldmaus machte, die ein paar Weizenkörner erspäht hat und nun nach Feinden Ausschau hält.
Ich entfernte das Tuch. Vor mir stand ein Prachtstück von einem Vogelkäfig, in tiefem Preußischblau bemalt und mit vergoldeten Blättern verziert. Auf einer Schaukel in diesem Käfig saß ein Vogel, den ich zunächst für ausgestopft hielt, so still und mit so starren Augen saß er da. Doch dann wandte
er mir ein gelbes Auge zu, öffnete seinen Schnabel und ließ ein süßes Trillern erklingen. »Du meine Güte, Finn«, sagte ich, »der ist ja lebendig!«
Finn nickte. »Es ist eine indische Nachtigall«, erklärte er stolz. »Sie hat die Meere bereist.«
Ich will gleich zugeben, daß das Geschenk mich entzückte. Sicher hatte sich selten jemand so viel Mühe mit einem Bestechungsgeschenk gemacht! Der Käfig war von einer wehmütigen Schönheit, wie aus einer vergangenen Zeit. Der Vogel selbst sah mit seinem glatten, blauschwarzen Gefieder und seinem orangefarbenen Schnabel nicht allzu ungewöhnlich aus, aber sein Gesang war rein und jubilierend. Mir kam es so vor, als hätte ich ihn unbewußt schon einmal gehört, doch ich konnte mir nicht denken, wann und wo das gewesen sein könnte.
»Man soll ihr auch noch andere Töne und sogar Melodien beibringen können«, meinte Finn, »wenn man ihr auf einem Holzblasinstrument, am besten einer Oboe, vorspielt.«
»Wie erstaunlich«, sagte ich. »Warum gerade auf einer Oboe?«
»Ich glaube, weil die Oboe in ihrem Stimmbereich ist.«
»Ach so.«
»Ihr spielt sie wohl nicht?«
»Nein. Aber ich werde das lernen. Ich glaube, ich könnte eine große Begeisterung für die Musik entwickeln.«
Über Finns Gesicht huschte ein Anflug von Angst. Ich wußte, was er dachte, und sein Unbehagen amüsierte mich, doch zog ich es vor, nichts dazu zu sagen. So saßen wir eine Weile still da und beobachteten die indische Nachtigall.
»So«, sagte Finn schließlich. »Wenn Ihr das nächste Mal bei Hofe seid …«
»Das ist wirklich ein schönes Geschenk! Vielen Dank!«
»Wenn Ihr das nächste Mal beim König seid …«
»Still, Finn«, sagte ich, »ich kann Euch in Eurer Angelegenheit wirklich keine allzu großen Hoffnungen machen. Der König ist zur Zeit sehr mit Staatsgeschäften belastet, und ich muß in Ruhe abwarten, bis sich die frivolere Seite seines Wesens wieder mir zuwendet.«
»Ich verstehe.«
»Es ist alles eine Frage des richtigen Augenblicks. Es kann durchaus sein, daß wir noch den Winter über abwarten müssen.«
»Den
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