Zeit der Sinnlichkeit
sagte ich, »dann werde ich ein glücklicher Mann sein.«
Er lächelte mitleidig. Dann erläuterte er seine Technik im Hinblick auf den Hintergrund, der, wie er sagte, immer klassisch sein sollte – ein Palladio-Garten mit Säulenfragmenten, eine Seeschlacht oder eine fröhliche Jagdszene.
»Ihr meint«, fragte ich, »daß ich anstatt des Fensters hinter Meg Storey besser Schiffe oder Reiter gemalt hätte?«
»Ja«, sagte Finn. »Natürlich.«
Ich konnte mich nicht entsinnen, daß Holbeins berühmte Portraits einen klassischen Hintergrund hatten, doch das sagte ich nicht, da es mir wohl bewußt war, daß ich Finn sehr dankbar sein würde, wenn er mich lehren könnte, dorische Säulen oder ein Schlachtschiff mit vollen Segeln zu malen.
»Der Hintergrund«, fuhr er fort, »muß schmeicheln. Mehr noch, er muß dem Leben des Modells Dauer verleihen, auch wenn sich dessen Leben in Wirklichkeit als sehr kurz erweisen sollte.«
Natürlich hatte ich bisher noch keine solchen Überlegungen angestellt, doch ich fand, daß an dem, was er sagte, etwas Wahres war, und so verging unser erster Morgen im Gespräch darüber, wie ein Bild komponiert sein mußte, damit kein Teil davon »tot« war, so daß das Auge, wo immer es hinwanderte, auf Interessantes traf, und daß dies auch für Einzelheiten galt, zum Beispiel für einen Schwertgriff oder für ein genauestens wiedergegebenes Ruderboot an einem fernen arkadischen Strand. Außerdem schnitten wir die Frage der Entfernung und Perspektive an, wonach Berge, die weiter weg sind, blasser und weniger klar umrissen erscheinen als näher liegende, und wie man die Nähe und Kraft eines Modells betonen kann, indem man es in Licht taucht.
»Wenn Ihr das nächste Mal in Whitehall seid«, schloß
Finn, »dann seht Euch doch einmal die Raffaels und Tizians an, die der König in seinen Gemächern haben soll, und Ihr werdet die schönsten Beispiele für all das haben, was ich Euch gesagt habe.« Also hatte Violet Bathurst ihm schon von meiner Bekanntschaft mit dem König erzählt. Ich nickte nur. Es war für mich noch viel zu früh zu entscheiden, ob Finn irgendeine Begünstigung verdiente, aber ich spürte, daß seine Sehnsucht, zum Hofe zu gehen, sogar noch stärker war als meine Sehnsucht, malen zu lernen, und ich kam sogleich zu dem Schluß, daß mir diese hübsch ausgewogene Ungleichheit möglicherweise zum Vorteil gereichen würde.
Anfang November, als ich unter Finns Anleitung gerade ein nicht allzu schlechtes Bild von meinem an einem imaginären Wasserfall schlafenden Spaniel Minette gemalt hatte, wurde mein Hündchen krank.
Eine heftige Furcht ergriff mein Herz. Ich liebte Minette. Ihre Gegenwart erinnerte mich ständig daran, daß ich des Königs Freund und Narr gewesen war – auch hoffte ich immer noch, daß ich es wieder werden würde –, und ich war mir sicher, daß ihr Sterben ein schreckliches Omen für noch weiteres Verlassenwerden sein würde.
Widerwillig holte ich mein Chirurgiebesteck und meine Heilmittel, Salben und Pulver heraus, doch kaum hatte ich alles neben Minette auf dem Eßtisch ausgebreitet, da wußte ich nicht mehr weiter: in meinem Bestreben, meinen früheren Beruf zu vergessen, hatte ich Wissen vergraben, das jetzt unerläßlich gewesen wäre.
Ich dachte an Lou-Lou und Fabricius' Lehrsätze über die Natur. Würde ich Minette durch einen ähnlichen Anfall von Nichtstun heilen können? Wohl nicht. Sie erbrach sich fast
ständig, das arme Ding, und auf ihrem Bauch war eine große, nässende wunde Stelle.
Ich verdünnte ein wenig Opiumtinktur mit Milch und schüttete ihr dies mit einem kleinen Löffel in den Hals; nach einigen Minuten fiel sie in einen ruhigen Schlaf. Ich untersuchte die Wunde. Sie war faulig und stank. Ich stellte mir vor, wie das Gift aus dieser Wunde in Minettes Blutgefäße eintrat und zu ihrem Herzen getragen wurde. Wenn es doch ein Furunkel gewesen wäre, den ich hätte öffnen können! Doch es war keiner, sondern eine offene Wunde, die ich mehrere Tage oder sogar Wochen übersehen hatte, weil sie sich auf Minettes Bauch befand.
Ich säuberte die Wunde so gut es ging mit warmem Wasser, feuchtete etwas Leinenstoff mit Alkohol an und legte ihn darauf. Minette wimmerte im Schlaf, und dann wurde ihr Körper plötzlich von schrecklichen Krämpfen geschüttelt. Schaumiger Speichel trat aus ihren Mundwinkeln. Ich hielt sie fest und wartete auf das Abklingen der Krämpfe. Neben mir stand bleich und schwitzend mein Diener Will
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