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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ich, daß es niemand anders als mein alter Freund und früherer Studienfreund sein konnte, und ich eilte hinaus, um ihn zu begrüßen.
    Es nieselte leicht, und beide, Pearce und sein Maulesel, sahen naß und schmutzig aus.
    »Wir kommen von den Fens«, verkündete er mit schicksalsschwerer Stimme.
    »Von den Fens, Pearce?« fragte ich. »Was hast du denn dort gemacht?«
    »Ich bin jetzt ein Fenlander, Merivel«, sagte er. »Ich arbeite und lebe dort.«
    »Du setzt sie in diese Reihenfolge, Pearce: erst die Arbeit, dann das Leben?«
    »Natürlich. Wenn man davon absieht, daß man die beiden nicht trennen kann.«
    »Nun, ich arbeite überhaupt nicht, ich male nur ein wenig.«
    »Du malst? Wie seltsam!«
    »Du hast also das Königliche College verlassen?«
    »Ja. Ich arbeite nur noch bei den Geisteskranken. Bitte nimm den Maulesel und sieh zu, daß er gefüttert wird. Wir sind beide sehr schwach.«
    Pearce stieg ab, ging taumelnd ein oder zwei Schritte und fiel auf die Knie. Ich rief nach Will Gates, der herangeschossen kam, und zusammen halfen wir Pearce ins Haus. Ich wies den Stallburschen an, schnell die »glühenden Kohlen« zu retten, bevor der Esel starb und über die Suppenkelle rollte.
    Wir brachten Pearce in dem am wenigsten farbenprächtigen Zimmer, dem Olivenzimmer, unter, einem Schlafraum, der nach Norden ging und in dem ich einen Teil der dunklen Holztäfelung unverändert gelassen und das Bett mit Vorhängen in mattem Grün ausgestattet hatte, das nur von einer kleinen purpurnen Fransenkante aufgemuntert wurde. Nachdem er etwas Wildbrühe getrunken und darum gebeten hatte, ihm seine Bücher heraufzubringen, fiel er in einen Schlaf, aus dem er siebenunddreißig Stunden nicht wieder erwachte. Die meiste Zeit über blieb ich an seinem Bett, prüfte von Zeit zu Zeit seinen Puls, lauschte auf seinen Atem, döste ein wenig, nippte an einem Glas Bordeaux und blickte auf sein längliches, graues Gesicht, das mich einerseits reizte, mir aber andererseits auch so unaussprechlich lieb war.
    Als er schließlich aufwachte, war ich begierig darauf, ihm von der Verzweiflung zu erzählen, in die ich gefallen war, und ihn zu fragen, ob er ein Heilmittel wüßte. Doch es stellte sich heraus, daß er die beschwerliche Reise auf dem Maulesel von den Fens nur aus einem einzigen Grund unternommen hatte: um mir kundzutun, daß er in seiner Arbeit mit den Verrückten von New Bedlam, wie er es nannte, das irgendwo zwischen Waterbeach und Whittlesea liegen sollte, ein
tiefes und grundlegendes Gefühl des Friedens gefunden hatte; demzufolge versuchte er nun, mich zu überreden, mein Leben der »Eitelkeit und Schau« aufzugeben und ihn in seiner Arbeit zu unterstützen.
    »Ich spüre«, sagte er und sah dabei aufmerksam in mein sommersprossiges, gerötetes Gesicht unter der Perücke, »daß du dich nicht wohl fühlst, Merivel. Du hast kein Leuchten mehr in den Augen. Der Luxus erstickt deine Lebensflamme.«
    Ich sah zu Boden. Es drängte mich schrecklich, Pearce unter kindlichen Tränen zu gestehen, daß es nicht der Luxus war, der mich meines Glückes beraubt hatte, sondern allein die Tatsache, daß der König mich verlassen hatte und daß ich wirklich ein verzweifelter Mann war, wenn auch ganz und gar nicht aus den von ihm vermuteten Gründen. Ich ließ es jedoch lieber bleiben, da ich wußte, daß mein Geständnis Pearce nur zu weiteren blumenreichen Bemerkungen darüber veranlassen würde, daß die Geisteskranken doch die Unschuldigen dieser Erde sind und wir nur dadurch errettet werden können, daß wir ihnen »wie kleinen Kindern« beistehen.
    »Danke für deine Anteilnahme, Pearce«, sagte ich, »aber du irrst dich. Wenn meine Augen etwas glanzlos sind, dann nur, weil ich so lange an deinem Bett gewacht und kaum Schlaf gefunden habe. Was meine Lebensflamme angeht, die brennt sehr hell.«
    »Ich kenne dich, Merivel. Als du damals in meinem Zimmer standst und mit deiner Hand das Herz dieses Mannes berührtest, da brannte sie!«
    »Das stimmt! Und wenn du mich neulich mit meinen Ölfarben im Park gesehen hättest –«
    »Du hoffst, dein Heil in der Kunst zu finden?«
    »Ich spreche nicht unbedingt vom Heil …«
    »Aber ich, Merivel. Denn ist der Tod nicht der bedeutendste Augenblick der sterblichen Existenz, die Stunde, in der wir ernten, was wir gesät haben?«
    »Du willst es so sehen, Pearce.«
    »Nein. Ich will es nicht. Gott sagt mir, daß es so ist. Und was säst du, Merivel, hier in deinem Palast?«
    »Es ist nur ein

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