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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Erinnerung hatte, sah jetzt grau und abgezehrt aus, und ihre Augen waren so rot und geschwollen, als habe sie seit Beginn des Winters Tag und Nacht geweint. Ich trat einen Schritt vor. In meinem Mitleid wollte ich sie bei ihrem Namen nennen, doch als ich schon den Mund geöffnet hatte, merkte ich, daß ich ihn nicht mehr wußte.

Zwei Würmer
    A ls ich phantasievoll und mit Feuereifer Bidnold neu einrichtete, hatte ich die Möglichkeit, daß Celia Clemence eines Tages unter diesem Dach wohnen könnte, gänzlich außer acht gelassen.
    So kam es, daß ich nicht daran gedacht hatte, von den elf Schlafzimmern in diesem Haus eins für die Frau einzurichten, auf die sich Violet Bathurst zwar eifersüchtig als »Lady Merivel, deine Braut« bezog, an deren Existenz ich aber keinen Gedanken verschwendet hatte. Bei Lady B.s Eifersuchtsausbrüchen pflegte ich zu sagen: »Ich bin mir dessen, daß Celia mein gesetzlich angetrautes Weib ist, nicht mehr bewußt, als Bathurst dies im Hinblick auf dich ist. Laß dir versichern, daß ich nie an sie denke.«
    Normalerweise konnte ich Violets Eifersucht damit beschwichtigen. Eines Abends jedoch, gerade in dem Augenblick, als ich über ihr kniete und mein anschwellendes Glied behutsam die sanfte Furche zwischen ihren Brüsten entlangschob, schubste sie mich plötzlich zur Seite, so daß ich aus dem Bett gefallen wäre, wenn sich nicht mein rechtes Bein im Bettlaken verfangen hätte. »Dein Vergleich mit Bathurst«, sagte sie ärgerlich, »ist irreführend, und wenn du das absichtlich machst, bist du ein grausamer und zynischer Mensch. Denn du weißt sehr wohl, Merivel, daß Bathurst Augenblicke hat, in denen seine Erinnerung zurückkehrt, und daß er dann zudringlich wird. Am Mittwoch abend hatte er beispielsweise während des Abendessens einen lichten Moment und kam auf allen vieren unter dem Eßtisch zu mir gekrochen,
wobei er sich schon die Hose aufknöpfte. Wenn ich ihn nicht rasch daran erinnert hätte, daß die beiden Waldschnepfen – sein Lieblingswildbret – auf seinem Teller kalt würden, dann weiß ich nicht, was passiert wäre. Und so kann es auch mit dir sein, Merivel. Heute schwörst du, daß du sie vergessen hast, und eines Tages kriechst du zu ihr hin.«
    »Violet«, sagte ich und nahm wieder meine kniende Stellung ein (wobei mich die Ähnlichkeit meiner Haltung mit der Bathursts unter dem Tisch nur ein ganz klein wenig aus der Fassung brachte), »ich bin nur ein einziges Mal in meinem Leben angekrochen gekommen, und zwar, als ich versehentlich vor den Füßen des Königs hinfiel. Die Vorstellung, daß ich jemals, jedenfalls solange ich bei geistiger Gesundheit bin, zu Celia hinkriechen könnte, ist reine Einbildung, und du solltest sie dir auf der Stelle aus dem Kopf schlagen!« 
    Ich verschloß Violets Mund mit meinen Lippen, um sie an einer Erwiderung zu hindern, und der weitere Verlauf des Abends war sehr erfreulich, da der plötzliche Eifersuchtsanfall Violet so erregt hatte, daß sie sich mir wild und leidenschaftlich hingab.
    Doch noch als ich sie zu ihrer Kutsche begleitete, dachte ich an Celia und fragte mich, wo ich sie unterbringen würde, falls sie wirklich einmal unerwartet nach Bidnold kommen sollte – was sehr unwahrscheinlich war. Wenn ich nicht in meiner seltsamen Hochzeitsnacht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie sie ihre Lenden unzüchtig dem Munde des Königs entgegenwarf, und wenn ich nicht hinter der Tür des Ankleidezimmers ihre lustvollen Laute gehört hätte, die einer afrikanischen Wildkatze würdig gewesen wären, dann hätte ich Celia für eine vollkommen keusche und sittsame Person
von solidem Geschmack und kleinem Appetit gehalten, die sich in einem mit aprikosenfarbenem Moiré ausgekleideten und mit dunklen Drucken von Flüssen und Kathedralen geschmückten Schlafzimmer glücklich und zufrieden fühlen würde. Wie die Dinge aber nun einmal lagen, hatte ich schon in dem Augenblick, als ich aufhörte, das Winken der behandschuhten Hand Violets, die in der Nacht entschwand, zu erwidern, den Entschluß gefaßt, daß ich Celia das Zimmer anbieten würde, das ich das Tageteszimmer nannte. Trotz der späten Stunde schickte ich meine Diener zum Tageteszimmer und ließ sie Kerzen anzünden, damit ich einen Blick hineinwerfen konnte. Wäre Violet nicht gewesen, so hätte ich keinen Gedanken an das Ganze verschwendet. Für diese eine, kurze Nacht hatte sie nun aber in mir ein kleines Flämmchen der Erregung bei dem Gedanken an die Ankunft

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