Zeit der Sinnlichkeit
und starrte in die triste Dämmerung.
Ich fragte sie, ob sie gut geschlafen habe, und sie erwiderte, daß sie überhaupt nicht geschlafen habe, da sie das Zimmer so scheußlich finde, so vulgär, so grell und so geschmack
los. Sie sagte, daß sie sich nicht vorstellen könne, daß irgend jemand – außer mir vielleicht – darin auch nur etwas Ruhe finden könne.
Ich sagte mir, daß ich nicht ärgerlich werden dürfe, und versicherte ihr in ruhigem Ton, daß sie sich gern, wann immer sie es wünsche, ein anderes Zimmer aussuchen könne. Dann fragte ich sie, ob ich mich setzen dürfe. Sie antwortete, daß es ihr lieber wäre, wenn ich stehen bliebe.
Obwohl ich mittlerweile durch Celias Feindseligkeit, die ich wirklich nicht zu verdienen glaubte, schon ganz schön aus der Fassung gebracht war, begann ich, über den Grund meines Kommens zu sprechen. Ich sagte zu Celia, daß gerade ich, der ich für kurze Zeit auch ein wenig Zuneigung vom König bekommen hatte, nur zu gut die Tiefe und das Ausmaß ihrer Traurigkeit verstehen könne. Ich sprach davon, in welch schrecklichem Maße mein ganzes Sein und Fühlen, einst ruhig und zufrieden im Dienste Gottes und der Dreifaltigkeit, jetzt vom König in Besitz genommen wurde. Ich ging so weit zu sagen, daß ich glaubte, es gebe niemanden im ganzen Königreich (ganz gleich, ob er so fromm wie meine toten Eltern, ob er Puritaner oder Quäker, ein vornehmer Herr oder ein Geistesgestörter sei), der ganz frei und unberührt von der Sehnsucht sei, sein eigenes widerwärtiges Leben ein wenig von seinem Glanz überstrahlen zu lassen. »So ist es denn unvermeidlich«, fuhr ich fort, »daß Ihr und ich, Celia, die wir die Liebe dieses Mannes ein wenig kennengelernt haben …«
»Liebe?« kreischte Celia. »Was für eine Anmaßung, Merivel! Was für ein Selbstbetrug! Wie könnt Ihr es wagen, das, was der König für Euch empfunden hat, Liebe zu nennen! König Charles hat Euch nicht eine Sekunde, nicht einmal
den Bruchteil einer Sekunde geliebt, Merivel. Ich rate Euch, dieses Wort nie wieder zu gebrauchen!«
»Ich wollte nur …«, begann ich, doch Celia, die nun vor mir stand und mich aus gramerfüllten Augen ansah, ließ mich nicht zu Wort kommen. Sie tippte mit ihrem kleinen weißen Zeigefinger auf meine scharlachrote Weste und schrie: »Die Wahrheit ist, daß der König Euch in seiner Liebe zu mir , in seiner Leidenschaft für mich , benutzt hat. Er hat Euch benutzt, Merivel! Er hat sich nach dem dümmsten Mann, den er finden konnte, umgesehen, dem blödesten und törichtesten, einem, der alles hinnehmen würde wie ein Hund und der ihm keine Schwierigkeiten bereiten würde – und da hat er Euch gefunden! Ich habe ihn angefleht, verheiratet mich nicht mit diesem Idioten, auf Knien habe ich ihn angefleht, aber er hat nur gelacht. ›Wen sonst als einen Idioten kann ich denn bitten‹, meinte er, ›sich Hörner aufsetzen zu lassen?‹ Versteht Ihr, Merivel? Versteht Ihr in Eurer Blödheit, was ich sage?«
Nun, ich fürchte, ich kann die Szene nicht weiter schildern. Es tut sehr weh, nicht wahr? Natürlich »verstand« ich es, wie sie es nannte. Ich verstand alles, und es ließ mich frösteln. In ihrer Wut und Verzweiflung warf sie mir noch mehr Beleidigungen an den Kopf, während der abstoßende, dicke Reifrock zuschaute und grinste, aber ich bringe es einfach nicht fertig, alles niederzuschreiben.
Ich unternahm keinen weiteren Versuch, Celia meine Freundschaft anzubieten, geschweige denn, nachzufragen, wie es dazu gekommen war, daß der König sie verworfen hatte. Still zog ich mich aus dem Zimmer zurück und schloß die Tür hinter mir, bevor der Reifrock sie mir ins Gesicht schlagen konnte.
Mein erster Gedanke war: Wo konnte ich nach diesen schrecklichen Enthüllungen Trost finden? Bei Pearce? Bei Will Gates? Bei Violet Bathurst? Bei Meg Storey? Bei meiner verlorenen Maid, Rosie Pierpoint? Ich fühlte in mir ein heftiges Verlangen nach etwas netter menschlicher Gesellschaft. Aber es war noch früh am Tag, in meinem Haus war es noch dunkel, und ich stellte sie mir alle vor, wie sie schliefen: Pearce auf dem Rücken, seine weißen Hände über der Suppenkelle gefaltet; Will Gates auf seinem niedrigen Rollbett, von Dorfmädchen träumend; Violet inmitten von luxuriösem Brokat, der Erinnerung des alten Bathurst sicher entzogen; Meg in ihrer Dachstube, mit Biergeruch im Atem in ihrer Unterkleidung eingeschlafen; die süße Rosie in Pierpoints Bett, sich jetzt zum Rauschen
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