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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ich nicht. Vielleicht in meiner Malerei?«
    Ich will hier erwähnen, daß Pearce kaum eine höhere Meinung von meinen Bildern hatte als Finn, aber er sagte nichts zu dieser letzten Bemerkung, sondern beschäftigte sich lediglich damit, seine »glühenden Kohlen« einzusammeln und sie zu einem kleinen, tragischen Haufen aufzustapeln. In plötzlich aufwallender, heftiger Zuneigung zu ihm bot ich ihm mein Pferd Danseuse für seine Reise an, doch er lehnte ab mit der Begründung, daß die Stute zu stark und zu tempera
mentvoll für ihn sei, und bat mich bescheiden, ihm einen neuen Maulesel zu kaufen.
    Einer meiner Stallburschen wurde also auf diesen Botengang geschickt und kam mit einem gesprenkelten, linkischen Tier zurück, »das etwas zum Beißen neigt, Sir Robert, aber unerschrocken genug ist, Sir, für den anstrengenden Weg«.
    Ich sagte Pearce nichts über das Beißen, und der Maulesel wurde auf der Stelle gesattelt. Ohne ein weiteres Wort zu mir stieg Pearce auf und zockelte die Auffahrt hinunter. Ich sah noch, wie das Tier, als es gerade die erste Kurve erreicht hatte, seinen Kopf herumwarf und versuchte, nach Pearces Fuß zu schnappen. Pearce erwiderte diese Beleidigung mit einem Tritt in die Flanke des Maulesels, und Mann und Tier schossen im Galopp davon und ließen eine kleine Staubwolke hinter sich zurück, der ich nachschaute, bis sie sich wieder gelegt hatte.
    Da mich fröstelte und ich eine Erquickung brauchte, bat ich Will, mir einen Krug Glühwein in mein Ruhezimmer zu bringen, wo ich ein oder zwei Stunden für mich sein und nachdenken wollte. Ich war ein wenig bestürzt, als ich dort Celia vorfand, die vor meinem Vogelkäfig stand.
    »Ach, ich will Euch nicht stören«, sagte ich und wollte mich umdrehen und das Zimmer verlassen.
    »Was für ein Vogel ist das?« erkundigte sich Celia.
    Ich zögerte. Der Gedanke, daß Celia auch, wie Pearce, das arme Tier verleumden würde, bedrückte mich sehr.
    »Ich habe ihn geschenkt bekommen«, sagte ich zögernd. »Man hat mir gesagt, daß es eine indische Nachtigall sei.«
    »Sie ist sehr schön«, sagte Celia, »nur schade, daß sie nicht singt.«
    Sie wandte mir ihr Gesicht zu, und ich sah, daß es einen
Teil seiner Jugend und Ruhe wiedergewonnen hatte. Mir fiel auf, wie es mir bis dahin noch nie aufgefallen war, daß sie wirklich eine sehr hübsche Frau war.
    »Nun«, sagte ich, »sie singt. Aber man muß sie dazu ermuntern. Wenn Ihr es wünscht, hole ich meine Oboe und spiele ihr ein paar Takte vor; vielleicht könnt Ihr dann ihr herrlich melodisches Trillern hören.«
    »O ja, bitte tut das!« erwiderte Celia.
    Ich muß Euch nun erzählen, daß ich an den vorangegangenen Tagen, in denen ich meine Seelenruhe ein wenig wiedergefunden hatte, viele einsame Stunden im Musikzimmer mit meinem Instrument im Kampf gelegen hatte, mit dem Ergebnis, daß ich jetzt in der Lage war, ein kleines Lied darauf zu spielen, das Alle Schwäne schwimmen nun hieß.
    Dieses Liedchen war es also, das ich ihr und dem Vogel vorzuspielen versuchte, nachdem ich Celia ein Glas Glühwein angeboten hatte, das sie zu meinem Erstaunen auch angenommen hatte. Wie alle Anfänger mußte ich ein- oder zweimal von vorn beginnen, aber schließlich gelang es mir, das Stück ganz flott zu spielen. Als ich es zu Ende gebracht hatte, wandte sich Celia, die mich beobachtet hatte, zur Seite und bedeckte ihren Mund mit der Hand, wie um ein Lächeln zu verbergen. Ich war keineswegs beleidigt, da ich meine Bemühungen um diese elenden Schwäne selbst sehr erheiternd fand, und so brach ich, als ich die Oboe weglegte, in Lachen aus. Nun konnte auch Celia ihre Heiterkeit nicht länger unterdrücken, und wir standen eine ganze Minute nebeneinander und lachten, und der Vogel öffnete seinen orangefarbenen Schnabel und schüttete sein kristallenes Trillern über uns aus.
    Darauf folgte eine höchst angenehme Stunde. Ohne von
dem widerwärtigen Reifrock gestört zu werden, tranken Celia und ich den gewürzten Wein, und sie bat mich sehr würdevoll und mutig, ihr die Beleidigungen jenes Morgens im Tageteszimmer zu verzeihen. »In Wirklichkeit glaube ich«, sagte sie, »daß wir in einer Zeit leben, in der viele zum Narren gehalten und getäuscht werden. Wahrscheinlich bin ich in meinem Glauben an des Königs Liebe ebenso töricht wie Ihr. Und doch bin ich überzeugt davon, daß er mich zurückholen wird.«
    »Celia«, begann ich, »ist es nicht besser, nicht zu hoffen …?«
    »Ich habe keine andere Wahl«, meinte

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